U-Bahn-Surfer auf U4 zwischen Heiligenstadt und Spittelau unterwegs

  • Am Dach der U4 gesurft: "Lebensgefähr­li­che Aktion"
    Foto: /Screenshot Das Video zeigt, wie der vermummte Mann auf dem Dach der U-Bahn mitfährt

    "Schwarzfahrer" stellten Video der Aktion ins Netz

    Michaela Reibenwein, 19.06.2017, 15:54

    Ein Video, das gestern auf YouTube veröffentlicht wurde, lässt die Mitarbeiter der Wiener Linien nur ungläubig den Kopf schütteln. "Eine lebensgefährliche Aktion", sagt Daniel Amann, Sprecher der Wiener Linien.
    Zu sehen ist ein vermummter Mann, der in der Station Heiligenstadt auf das Dach der U4 springt und eine Station bis Spittelau mitfährt. Die Verantwortlichen sind keine Unbekannten. Es handelt sich um die "Schwarzfahrer" – eine Gruppe, die es sich zum Sport gemacht hat, die Wiener Linien zu ärgern. Etwa indem sie das gesamte U-Bahn-Netz ohne Fahrschein abfahren. Oder, wie jetzt, indem sie das Dach der U-Bahn zum Surfen nutzen. "Wir wollen nicht, dass das jemand nachmacht. Natürlich ist das eine riskante Geschichte, niemand hat Lust, sich umzubringen. Aber da steckt viel Planung, Zeit und mentale Vorbereitung drin", sagt der Sprecher der Schwarzfahrer, der großen Wert auf Anonymität legt.

    "Befremdlich"

    Die Wiener Linien sehen das natürlich anders: "Die Aktion ist befremdlich. So etwas ist zu Recht verboten", sagt Amann. "Der Zug kann bis zu 80 km/h schnell werden. Wenn er plötzlich abbremsen muss, war es das." Der U-Bahn-Surfer bringe nicht nur sich, sondern auch andere in Gefahr. "Wir müssen uns jetzt genau anschauen, was wir dagegen tun können."
    Im September des Vorjahres kam es bei einer derartigen Aktion in Deutschland tatsächlich zu einem Todesfall: Der U-Bahn-Surfer war mit dem Kopf gegen einen Stahlträger geknallt.
    "Ich kenne selbst zwei Burschen, die dabei schwer verletzt wurden", berichtet der Schwarzfahrer-Sprecher. "Das ist eine ernste Sache, da kann man sterben. Das ist uns bewusst." Gleichzeitig "kann ich mir vorstellen, dass das ein ziemlicher Adrenalinrausch ist."

    KURIER mit Video

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • Ich verstehe nicht, warum die Wiener Linien diesen Wahnsinnigen eine solche mediale Plattform bieten. Weil "ärgern" können sie ein Unternehmen damit nicht...

  • Der "Schwarzfeind" Nummer eins

    Foto: /Screenshot Tom sieht sein Tun als Aktionismus. Die Wiener Linien prüfen rechtliche Möglichkeiten

    Was reitet jemanden, der auf der U-Bahn surft? Der KURIER hat den jungen Mann getroffen.
    Michaela Reibenwein
    28.06.2017, 06:00

    Er kommt zu spät. "Tut mir wirklich leid", sagt er. "Ihr werdet nicht glauben, was mir passiert ist. Ich bin in eine Fahrscheinkontrolle in der U-Bahn gekommen und musste aussteigen." Der junge Mann, nennen wir ihn Tom, legt großen Wert auf Anonymität. Die Wiener Linien etwa würden nur allzu gern wissen, wie sein Name lautet: Denn in der Vorwoche wurde ein Video veröffentlicht, in dem er auf einer fahrenden U-Bahn surft. "Lebensgefährlich", nennen das die Wiener Linien und prüfen rechtliche Schritte. "Aktionismus", sagt Tom dazu. "Nur, dass wir eben nicht im Atelier stehen oder uns am Boden wuzeln."
    Aufforderung
    Tom gehört zu den "Schwarzfahrern", einer Gruppe junger Leute, die das Schwarzfahren zum Programm gemacht haben. Die Aussage eines Wiener-Linien-Sprechers, dass es unmöglich sei, auf dem Dach einer U-Bahn zu surfen, nahmen sie als Aufforderung. Der Rest ist Video-Geschichte.
    Vor einigen Jahren ärgerten sie die Wiener Linien mit einem "Weltrekordversuch", bei dem sie das gesamte U-Bahn-Netz abfuhren – natürlich ohne Ticket.

    Foto: KURIER / Rainer Eckharter
    Der KURIER traf Tom bei einem Würstelstand in einer U-Bahn-Station. Dort, wo sich Männer schon morgens Bier statt Kaffee bestellen.
    "Ich hatte noch nie eine Jahresticket", sagt Tom, ein waschechter Wiener. "Schon als Schüler nicht." Damals habe er die Frist zur Beantragung der Freifahrt versäumt. Seither ist er ein Meister im Rausreden. "Dreistigkeit setzt sich durch", meint er. "Bei Kontrollen bin ich charmant, aber bestimmt. Damit fahre ich recht gut." Drohungen mit der Polizei sieht er sportlich. "Die hat Besseres zu tun. Und so lange wollen auch die Kontrolleure nicht warten." Die meisten kennt er übrigens ohnehin schon vom Sehen.
    Für die jüngste Aktion gab es nicht nur Zustimmung. "Da haben Leute geschrieben, ich soll runterfallen und sterben. Das lässt schon tief in die Seele blicken. Für solche Menschen bin ich gern der Schwarzfeind Nummer eins."
    Dass die Surfaktion tatsächlich lebensgefährlich war, ist Tom bewusst. "Es gab im Video auch den Hinweis, dass wir keine Nachahmer haben wollen. Aber wir haben das akribisch geplant. Ich bin die Strecke (Heiligenstadt-Spittelau, Anm.) vorher etliche Male gefahren und habe getestet, wo Wellen und Weichen sind." Bei einer Testfahrt am Dach habe er Gegenwind und Geschwindigkeit geprüft.
    Freifahrt
    Auf dem Video ist er mit einer rot-schwarzen, wehenden Fahne zu sehen. "Die Farben sind bewusst gewählt." Er selbst bezeichnet sich als regierungskritisch. "Die Fahne zeigt unsere kritische Haltung gegen das System." Ginge es nach Tom, sollten die Öffis frei zugänglich sein. "Auch für Menschen ohne Geld."
    Schwarzfahren sei nicht die "entspannteste Art, ein Fahrzeug der Verkehrsbetriebe zu nützen." "Aber das Netz ist super ausgebaut in Wien. Da brauchst du kein Auto."
    Die nächste Aktion sei übrigens schon in Planung. "Ideen haben wir genug", meint Tom. Welche? "Lass dich überraschen", sagt er und steigt wieder in die U-Bahn ein. Ohne Ticket.

    Kommentar von Michael Jäger
    Tödlicher Leichtsinn
    Dieser politische Aktionismus der Schwarzfahrer ist brandgefährlich und durch nichts zu rechtfertigen. Öffis sollten gratis sein, daher irrt seit Jahren eine Gruppe junger Wiener Schwarzfahrer mit der U-Bahn durch die Stadt. Bisher konnte man das Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Schwarzfahrern und Schwarzkapplern vielleicht noch mit etwas Amüsement verfolgen. Manchmal wurde einer erwischt. Das gehört dazu.
    Doch jetzt geht die Gruppe deutlich zu weit. Auf dem Dach der U-Bahn zu surfen, ist absolut lebensgefährlich. Ja, hier begibt sich einer in Todesgefahr, um nachher seinen wirren Protest zu formulieren.
    Auf diesen in den sozialen Netzwerken zur Schau gestellten Aktionismus kann Wien verzichten. Denn die ganze Sache birgt die Gefahr der Nachahmung durch verwirrte Geister in sich. Da nutzt auch kein Hinweis, einen derartigen brandgefährlichen Unsinn zu unterlassen.Daher der Appell an die Gruppe, hören Sie damit auf, bevor wir beginnen müssen, Tote zu zählen. Und wir Sie dafür verantwortlich machen.
    michael.jaeger@kurier.at
    KURIER

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • Für mich ist der irgendwo zwischen Größenwahn und Wahnsinn. Und ich habe schon oft genug erlebt, dass die Polizei zu Fahrscheinkontrollen hinzugezogen wurde, somit zieht "die haben besser zu tun" sicherlich nicht. Dem Kontrolleur ist es vermutlich auch ziemlich egal, ob er durch den Zug geht und kontrolliert, oder auf die Polizei wartet.
    Selbst als ich die Wiener Linien täglich nutzte (und das im Bereich Karlsplatz wo viel kontrolliert wird), war ich weit davon entfernt, die Kontrolleure alle zu kennen. Er hat wohl nichts anderes zu tun, als den ganzen Tag durch Wien zu fahren und sie zu suchen.