[DE] VD8-Projekt Berlin - München als Antwort auf Fernbusse und Billigflieger

  • In vier Stunden von Berlin nach München

    http://nachrichten.at/APA - 16. Juni 2017 - 14:19 Uhr

    BERLIN. In knapp vier Stunden mit dem ICE von München nach Berlin - das soll ab Mitte Dezember möglich sein. Die deutsche Bahn stellt das letzte große Verkehrsprojekt der deutschen Einheit fertig.

    Mal wurde sie als längste U-Bahn der Welt verspottet, mal als Milliardengrab für den Solidaritäts-Zuschlag, mal als sinnlosestes Projekt der Deutschen Einheit: Die ICE-Trasse Berlin-München stand lange allenfalls in Konkurrenz zum BER, dem geplanten Berliner Großflughafen, der seit Jahrzehnten auf den Start des ersten Flugzeugs wartet. Erfurt/Ebenfsfeld. Das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit (VDE 8) wurde mehrfach totgesagt und schien sich in Projekte wie den Berliner Hauptbahnhof oder gar Stuttgart21 einzureihen, die der Bahn viel Ärger und hohe Kosten bringen. Doch gut 25 Jahre nach dem Fall der Mauer werden die Züge noch heuer in weniger als vier Stunden zwischen Berlin und München auf der Trasse pendeln. Für die Deutsche Bahn soll es angesichts der Konkurrenz der Billigflieger und Fernbusse der Weg zurück in die Offensive sein. Es ist das letzte große Verkehrsprojekt Deutschen Einheit, das jetzt fertiggestellt ist.
    Die Bahn jubelt, es sei sowohl im Zeitplan als auch im Kostenrahmen von 10 Mrd. Euro geblieben. "Wir können Großprojekte", sagt Bahnchef Richard Lutz. Im Vergleich zu den ersten Planungen Anfang der 1990er Jahre stimmt das zwar nicht. Doch immerhin in den vergangenen zehn Jahren kamen keine neuen Hiobsbotschaften von den zahllosen Baustellen zwischen Berlin, Leipzig, Erfurt, Nürnberg und München.

    Anfang des Jahrtausends sah dies anders aus. Als der Bund besonders knapp bei Kasse war, stand das Projekt mehrfach vor dem Aus, praktisch herrschte Baustopp. Vor allem die Grünen, damals in der Regierung, machten Front gegen das Vorhaben und favorisierten stattdessen den Ausbau alter Bahn-Verbindungen. Im Bundeshaushalt war Ebbe, so dass Hochrechnungen von einer Inbetriebnahme irgendwann nach 2030 ausgingen. Geld floss gerade noch für "Baurechts erhaltende Maßnahmen". Das hieß, es wurde gerade soviel geschaufelt und gebuddelt, dass die Trasse nicht ein neues Genehmigungsverfahren brauchte. Folge: In der Landschaft standen Bauwerke, die im Volksmund "Soda"-Brücken genannt wurden. Einfach, weil sie "so da" in der Landschaft standen. Ohne Schienen- oder andere Anbindung, ohne Aussicht, dass in absehbarer Zeit weitergebaut würde.

    Große Herausforderungen
    Dabei waren die Herausforderungen selbst mit Geld groß genug: Weit über 300 Bahn- und 170 Straßenbrücken wurden benötigt. Das Kernstück von gut 100 Kilometern durch den Thüringer Wald besteht allein aus 22 Tunneln und 29 Brücken. Die Hälfte der Strecke verläuft unter der Erde oder über Täler. Dieser Abschnitt ist so auch der letzte, der jetzt fertig wird. Zwischen Berlin und Halle/Leipzig fuhren die Züge schon 2006. Von dort nach Erfurt war die Trasse 2015 betriebsbereit. Für die Deutsche Bahn kommt der reguläre Betrieb mit dem Fahrplanwechsel im Dezember gerade recht. Der Konzern steht von vielen Seiten unter Druck. Vor allem der Boom der Fernbusse und der Billigflieger drohten IC und ICE zu leeren. Die Bahn konnte den Trend zwar schon stoppen - aber nur mit Sonderpreisen auf Kosten des Gewinns. Mit Berlin-München in drei Stunden und 55 Minuten will sie Auto- und Fernbusfahrer von der Straße und vor allem Passagiere aus den Fliegern holen.
    OÖN

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