Gedenk- und Bedenktage, Jubiläen etc.

  • Vor 75 Jahren:

    26. 11. 1939: [Nieder Wöllstedt, Reichsbahndirektion Frankfurt/Main] Der P 772 stößt mit dem G 5811 zusammen. Unfallursache: Der Lokführer des Güterzuges erhält vom Fahrdienstleiter den Auftrag, seinen Zug Richtung Ausfahrsignal vorzuziehen. Dabei überfährt er aus nicht bekannten Gründen das Ausfahrsignal und gerät in die Fahrstraße des zur gleichen Zeit einfahrenden Personenzuges.
    Opferbilanz: 11 Tote, 18 Verletzte.

    Vor 70 Jahren:

    23. 11. 1944 [Wiesau, ehem. Deutsches Reich] Der mit 400 Häftlingen aus dem KZ Flossenbürg beladene Güterzug 6395 stößt in der Nähe von Wiesau mit einem anderen Zug zusammen. Die Häftlinge sollen in das KZ-Nebenlager Leitmeritz zur Zwangsarbeit in einer geheimen Rüstungsfabrik gebracht werden (Tarnname Elsabe). Gegen die Kälte sind die Böden der Häftlings-Güterwagen mit Stroh bedeckt und in den Wagen befinden sich Kanonenöfen – bei den von außen fest verschlossenen umstürzenden Waggons eine tödliche Falle. Bisher ist kein KZ-Häftling aus dem Transport bekannt, der das Kriegsende überlebt hat und von dem Unglück berichten kann. Erst im Jahr 2012 wird nach fast 70 Jahren die geheime Transportliste des Zugs entdeckt.
    Opferbilanz: 57 Tote (52 Häftlinge, 4 SS-Wachmänner, 1 Reichsbahnangehöriger[Lokheizer]), zahlreiche Verletzte.

    24. 11. 1944: [Barwałd Średni, ehem. Deutsches Reich] Um ca. 15:15–15:20 Uhr stößt in Barwałd Średni bei Wadowice ein deutscher Militärzug mit Versorgung für die Ostfront mit einem Schnellzug aus Zakopane nach Krakau, frontal zusammen. Der Schnellzug war kurzfristig auf die stark durch Nachschubtransporte für die Ostfront ausgelastete Strecke Kalwaria Zebrzydowska–Skawina umgeleitet worden, weil auf dem parallelen Abschnitt Skawina–Spytkowice–Oświęcim, der auch als Anschluss zum KZ Auschwitz dient, eine Eisenbahnbrücke zwischen Kalwaria Zebrzydowska und Skawina von Partisanen gesprengt worden war.
    Opferbilanz: Über 130 Tote, 100 - 200 Verletzte.

    Vor 30 Jahren:

    23. 11. 1984: [Byculla, Indien] Während der Fahrt durch den Bahnhof Byculla in der Nähe Bombays, heute Mumbai, entgleist ein überfüllter Pendlerzug. Sieben Waggons sprigen aus den Schienen, vier von ihnen stürzen um.
    Opferbilanz: 25 Tote, 47 Verletzte.

    Quellen: Katastrophen auf Schienen von Peter Semmens, Transpress Verlag, Stuttgart 1996 und Wikipedia.

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • Vor 105 Jahren:

    28. 11. 1909: [Sapperton, Provinz Columbia, Kanada] Entgleisung eines Personenzuges der Great Northern-Bahngesellschaft in Sapperton auf Grund der Unterspülung des Bahndammes.
    Opferbilanz: 22 Tote.

    Vor 75 Jahren:

    01. 12. 1939: [Sibiu, Rumänien] Ein mit Gleisbauarbeitern besetzter und mit Bahnbaumaterial beladener Bauzug, der zu einer Streckenneubau-Baustelle zwischen den Bahnhöfen Marsa und Avric (Rumänien) unterwegs ist, entgleist in der Nähe von Sibiu (Hermannstadt) in Siebenbürgen.
    Opferbilanz: 20 Tote, 16 Schwerverletzte.

    01. 12. 1939: [Dortmund, Deutsches reich] Der P 3501 stößt auf einem Bahnübergang zwischen Dortmund Hbf. und Witten West mit einem Autobus zusammen, da vergessen worden war, den Bahnschranken zu schließen.
    Opferbilanz: 15 Tote, 17 Verletzte.

    Vor 60 Jahren:

    02. 12. 1954: [Wilsele, Belgien] Ein mit deutschen Fußballfans besetzter Sonderzug, der sie nach dem Ländermatch England - Bundesrepublik Deutschland in London nach Hause bringen soll, entgleist in der Nähe von Wilsele. Dabei springen die Lok und drei Waggons aus den Schienen, der zweite Waggon wird völlig zerstört. Lokführer und Heizer sind unter den Todesopfern, sodass die genaue Unfallursache nicht eruiert werden kann. Die Strecke ist im Bereich des Unfallortes zum Zeitpunkt des Unfalles auf Grund von Bauarbeiten an einer Brücke über den Fluß Dyle nur eingleisig befahrbar. Es wird daher vermutet, dass der Zug beim Wechsel auf das Gegengleis zu schnell unterwegs war.
    Opferbilanz: 21 Tote.

    Vor 20 Jahren:

    02. 12. 1994: [Szajol, Ungarn] Entgleisung eines Schnellzuges bei Szajol.
    Opferbilanz: 29 (keine Unterscheidung in Tote/Verletzte).

    Quellen: Katastrophen auf Schienen von Peter Semmens, Transpress Verlag Stuttgart 1996.
    Eisenbahnunfälle in Europa von Erich Preuß, Transpress Verlag Berlin 1991.

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • 01. 12.: 135 Jahre Bahnlinie über den Predealpaß, Rumänien:

    Am 01. 12. 1879 wurde das knapp 30 km lange Teilstück Campina - Sinaia der über den in den Südkarpaten liegenden Predealpaß führenden Magistrale Bukarest - Kronstadt eröffnet. Damit war die durchgehende Verbindung von Rumänien in das damals zu Ungarn (bis 1918) gehörende Siebenbürgen hergestellt.
    Streckenlänge Campina - Kronstadt: 75 km
    Maximale Neigung: 25 Promille
    Minimaler Kurvenradius: 275 m
    Scheitelpunkt: 1054 m

    Mehr Infos gibt es auf Wikipedia

    03. 12.: 120 Jahre transkorsische Gebirgsbahn Bastia - Casamozza - Corte - Ajaccio

    Auch wenn sich die Fachliteratur nicht ganz einig ist, ob die Eröffnung der Gesamtstrecke am 3. 12. 1894 oder erst 1896 stattgefunden hat, nehme ich das von Ascanio Schneider in seinem Standardwerk über die Gebirgsbahnen Europas genannte Datum 3. 12. 1894 zum Anlass, auf das 115-jährige Bestandsjubiläum der transkorsischen Gebirgsbahn hinzuweisen.

    Streckencharistika:

    Eröffnung der Teilstrecke Bastia - Corte (74 km): 01. 12. 1888
    Teilstrecke Corte -Ajaccio (84 km): 03. 12. 1894
    Streckenlänge: 158 km
    Spurweite: 1000 mm
    Traktionsart: Diesel, überwiegend VT
    Maximale Neigung: 30 Promille
    Min. Kurvenradius: 100 m
    Scheitelhöhe: 906 m (Bahnhof von Vizzavona)
    Zahl der Tunnel: 43, längster Tunnel: Tunnel de Vizzavona (3916 m)
    Der von der Streckenführung her interessanteste Abschnitt befindet sich zwischen den Bahnhöfen Corte (km 74) und Ucciani (km 127).
    Für alle, die mehr wissen wollen, hier bitte: Wikipedia und Eisenbahnromantik

    01. 12.: 105 Jahre Bergenbahn, Norwegen:

    Am 01. 12. (andere Quellen nennen auch den 27. 11.) 1909 wurde die 526 km lange (ab Oslo), offiziell ab Honefoss 402 km lange Bergenbahn (Oslo -) Honefoss -Myrdal - Voss - Bergen offiziell eröffnet. Sie ist sowohl auf Grund der Schönheit und Abgeschiedenheit der Landschaft, durch der sie führt, als auch auf Grund der dort herrschenden extremen klimatischen Bedingungen, die dort herrschen, eine der bekanntesten Bahnlinien Europas.
    Erste Planungen für den Bau dieser Bahn begannen bereits um 1870. In den 70er Jahren wurden mehrere Trasenvarianten ausgearbeitet und ausgesteckt, von denen die 1875 ausgesteckte Linienführung des Eisenbahndirektors Hille als die auszuführende Variante ausgewählt wurde. In den 80er Jahren fanden entlang der ausgesteckten Trasse umfangreiche Schneemessungen und metereologische Beobachtungen statt. Deren Auswertungen ergaben, dass während des Baues mit extremen Witterungsverhältnissen zu rechnen sei.
    In den 90er Jahren fand die Detailabsteckung der Trasse und die Vermessung der zu bauenden Tunnels statt. Mit dem Bau der Strecke wurde definitiv 1901 begonnen, die Eröffnung erfolgte je nach Quelle am 27. 11. bzw. 01. 12. 1909.
    Streckencharistika:
    Streckenlänge: 402,43 km, eingleisig
    Elektrifizierung: Bergen - Voss (107 km) 1954, Reststrecke 1964 mit 15 kV, 16 2/3 Hz.
    Scheitelpunkt: ursprünglich 1301 m bei Taugevatn zwischen Finse und Hallingskeid. Dieser Abschnitt, der
    besonders häufig massiven Schneeverwehungen ausgesetzt war, wurde 1993 durch einen
    Streckenneubau inklusive des 10,3 km langen Finsetunnel ersetzt. Der Scheitelpunkt liegt
    nunmehr im Finsetunnel bei 1237 m Seehöhe.
    Maximale Neigung: 21,5 Promille
    Minimaler Kurvenradius: 250 m
    Zahl der Tunnel: 182, mit einer Gesamtlänge von 73 km, darunter der o. e. 1993 eröffnete Finse-Tunnel
    (10,3 km), der Gravahals-Tunnel (5,3 km) zwischen den Bahnhöfen Myrdal und Mjolfjell
    und der 1964 eröffnete Ulrikentunnel (7,7 km) ca. 25 km vor Bergen.

    Die Bergenbahn auf Wikipedia. Am 29. Oktober 2014 waren die Bergen- und die Flåmsbahn von sintflutartigen Regenfällen betroffen, welche bei der Flåmsbahn eine mehrwöchige und bei der Bergenbahn eine mehrtägige Streckenunterbrechung zur Folge hatten. Mehr Infos darüber gibt es hier.

    30. 11.: 90 Jahre Raumabahn, Norwegen:

    Am 30. 11. 1924 wurde die im Bahnhof Dombås an der Bahnlinie Oslo - Hamar - Trondheim abzweigende, 114 km lange, zum am Romsdalsfjord liegenden Fischereihafen Åndalsnes eröffnet. Interessantester Streckenabschnitt ist die Doppelkehrschleife bei Verma mit zwei Wendetunnel. Die Strecke verläuft fast zur Gänze entlang des namensgebenden Flusses Rauma.
    Streckenlänge: 114 km, eingleisig, Dieselbetrieb, Tourismuszüge mit Dampfloks
    Maximale Neigung: 20 Promille
    Scheitelpunkt: 670 m Seehöhe
    Zahl der Tunnel: 6, darunter 2 Wendetunnel

    Die Raumabahn auf Wikipedia. Die Raumabahn ist derzeit auf Grund eines drohenden Bergsturzes zwischen Åndalsnes und Bjorli unterbrochen. Mehr Infos dazu gibt es hier.

    Quellen: Die Gebirgsbahnen Europas von Ascanio Schneider, Orell Füssli Verlag Zürich 1963 und die oben
    angeführten Links.

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • Wie im Rätselboard angekündigt, hier der Beitrag zum 105-Jahr-Jubiläum der zwischenzeitlich teilamputierten Donauuferbahn, im NÖ Volksmund auch Wachaubahn bezeichnet.
    Es gibt keine Darstellung der Streckencharistika, sondern die Beschreibung der Strecke aus der Sicht eines 1910 erschienenen Reiseführers. Viel Spass beim Lesen:

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • Vor 100 Jahren:

    Dezember 1914 (genaues Datum leider nicht bekannt): [Kalisz, Polen] Im Bahnhof von Kalisz stoßen ein Richtung Kriegsfront fahrender, vollbesetzter preußischer Truppentransportzug und ein von der Front kommender, mit verwundeten Offizieren besetzter Sanitätszug zusammen, wobei mehr als 20 Waggons zerstört werden. Unfallursache ist eine falsche Weichenstellung. Der Weichenwärter, der Fahrdienstleiter und einige andere, am Bahnhof tätige Beamte werden verhaftet und der Sabotage beschuldigt.
    Opferbilanz: etwa 400 Tote, etwa 500 Verletzte. Genaue Opferzahlen sind leider nicht bekannt.

    Vor 35 Jahren:

    3. 12. 1979: [Londa, Indien] In Londa im Süden des Subkontinents entgleist ein Reisezug.
    Opferbilanz: 23 Tote, 12 Verletzte.

    Quelle: Katastrophen auf Schienen von Peter Semmens, Transpress Verlag, Stuttgart 1996.

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • Vor 105 Jahren:

    13. 12. 1909: [New York State, USA] Der Schlafwagenzug "Twentieth Century Limited" von Chicago nach New York fährt mit knapp 100 km/h auf einen stehenden Personenzug auf. Unfallursache ist ein Fehler des Stellwerkswärters.
    Opferbilanz: Nicht bekannt, jedenfalls zahlreiche Opfer.

    Quelle: Katastrophen auf Schienen von Peter Semmens, Transpress Verlag, Stuttgart 1996.

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • Vor 75 Jahren:

    12. 12. 1939: [Deutschland] Zwischen Vorhalle und Wetter an der Ruhr stoßen P 3567 und P 3862 frontal zusammen. Ursache: Durch falsche Weichenstellung wird P 3567 auf das Gegengleis geleitet.
    Opferbilanz: 15 Tote, 36 Verletzte.

    Quelle: Eisenbahnunfälle in Europa von Erich Preuß, Transpress Verlag, Berlin 1991.

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • Am 12. 12. 1914 wurde die 26 km lange Stichstrecke Chur - Arosa der Rhätischen Bahn eröffnet. Die Bahn hatte für die Entwicklung des Tourismus in der Region wesentliche Bedeutung. Markant für die Strecke sind die doppelte Kehrschleife bei Litzirüti kurz vor Arosa und die zahlreichen Viadukte, darunter der Langwieser Viadukt (287 m lang, 62 m hoch), errichtet 1912 -1914 als erste Brücke in der Schweiz aus armiertem Beton.

    Streckencharistika:

    Streckenlänge: 25,68 km, Schmalspur 1000 mm, eingleisig
    Zahl der Tunnel: 19 mit einer Gesamtlänge von 2519 m
    Maximale Steigung: 60 Promille
    Minimaler Kurvenradius: 60 m
    Elektrifizierung: 1914 mit 2400 V DC bis 1997, seither 11 kV, 16 2/3 Hz AC
    Scheitelpunkt: 1742 m in Arosa

    Quelle: Die Gebirgsbahnen Europas von Ascanio Schneider, Orell Füssli Verlag Zürich, 1963, S. 235f.

    Wikipedia

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • Vor 95 Jahren:

    20. 12. 1919: [Bundesstaat Maine, USA] Zusammenstoß eines Personenzuges mit einem Güterzug zwischen Onawa und Benson.
    Unfallursache: Mißverständliche Fahranweisung an das Lokpersonal des Güterzuges.
    Opferbilanz: 23 Tote, 35 Verletzte.

    Vor 75 Jahren:

    22. 12. 1939: [Genthin, Deutschland]
    Ausgangslage: Der im vorweihnachtlichen Verkehr völlig überfüllte D-Zug D 10 nach Köln (allein im Packwagen sollen 35 Menschen ums Leben gekommen sein) fährt pünktlich um 23:15 Uhr in Berlin ab, sammelt allerdings unterwegs schnell Verspätung an, weil sich das Aus- und Einsteigen durch die kriegsbedingte Verdunkelung verzögert. In Potsdam hat der Zug bereits fünf, in Brandenburg 12 Minuten Verspätung. Weil die Strecke vor ihm noch durch einen Militärzug besetzt ist, erhöht sie sich auf 27 Minuten.

    Der nachfolgende D 180 wird von der Dampflokomotive 01 158 gezogen. Die Bahnstrecke Berlin–Magdeburg ist zwar mit der Zugsicherung Indusi ausgerüstet, aber die Indusi-Sicherung der Lok ist für eine Reparatur ausgebaut, die Lok kommt aber trotzdem zum Einsatz, da kriegsbedingt Lokomotivmangel herrscht. Der D 180 von Berlin Potsdamer Bahnhof nach Neunkirchen (Saar) Hauptbahnhof fährt um 23:45 Uhr in Berlin ab, hält noch einmal in Potsdam und soll dann bis Magdeburg Hauptbahnhof durchfahren. Der Abstand zwischen beiden Zügen verringer sich so zunehmend. Unmittelbar vor Genthin fahren die Züge nur noch im Blockabstand.

    Unfallhergang: An der letzten vor dem Bahnhof Genthin liegenden Blockstelle, Belicke, überfährt der D 180 das „Halt“ zeigende und den D 10 deckende Blocksignal; warum, wird nie geklärt. Der Lokomotivführer will die beiden entscheidenden Signale, Vorsignal und Hauptsignal, in der Stellung „Fahrt frei“ erkannt haben. Der Blockwärter von Belicke sagt das Gegenteil aus und dessen Aussage wird auch von der nachfolgenden Untersuchung bestätigt. Da die Indusi der Lok ausgebaut ist, erfolgt keine Zwangsbremsung. Als Ursache für die Überfahrt des „Halt“ zeigenden Signals wird über eine Reihe von Gründen spekuliert: schlechte Sicht in der nebligen Nacht, eine Kohlenmonoxidvergiftung (die Rauchgase der Lokomotive könnten auf Grund der Wetterlage in das Führerhaus gelangt sein) oder persönliche Mängel des Lokpersonals.

    Die Blockstelle Belicke alarmiert sofort den Bahnhof Genthin und einen Schrankenposten sowie das Stellwerk Genthin Ost, an der Einfahrt des Bahnhofs, von dem Zwischenfall. Dem Schrankenwärter gelingt es nicht, den Lokomotivführer auf seine Haltesignale aufmerksam zu machen. Der Beamte im Stellwerk Genthin Ost versucht nun, den D 180 mit einer rot leuchtenden Handlampe anzuhalten. Der sich ihm nähernde Zug ist allerdings erst der D 10. Dessen Lokomotivführer bezieht das Signal selbstverständlich auf sich und leitet eine Schnellbremsung ein. Er bringt damit seinen Zug noch im Bereich des Bahnhofs Genthin gegen 0:51 Uhr zum Stehen.

    Statt nun sofort das Einfahrsignal auf „Halt“ zu stellen, versucht der Stellwerksmitarbeiter den zweiten Zug ebenfalls mit dem roten Warnlicht zum Halten zu bringen. Der Lokführer des D 180 nimmt ihn jedoch nicht wahr, vermutlich weil er vor dem Bahnhof auf das für den D 10 noch „Fahrt frei“ zeigende Einfahrvor- und Einfahrsignal sieht und daher nicht zum Stellwerk blickt. Darauf fährt der D 180, gegen 0:55 Uhr mit etwa 100 km/h in den Bahnhof Genthin ein und auf den dort stehenden D 10 auf.

    Folgen: Durch den Aufprall werden die vier hinteren Wagen des D 10 teilweise ineinander geschoben. Die Lokomotive und sechs Wagen des auffahrenden Zuges entgleisen.

    Die Rettungsarbeiten gestalten sich schwierig und dauern eine ganze Woche. Wegen der Verdunklung ist nur die Notbeleuchtung eingeschaltet, das Aufstellen von Scheinwerfern in der Nacht bedarf einer Sondergenehmigung. Viele Männer sind kriegsbedingt eingezogen. Die Temperaturen sinken in der Nacht auf -15 °C, sodass auch viele Verletzte erfrieren.

    Der Lokomotivführer des D 180 und dessen Heizer überleben das Unglück. Der Lokomotivführer wird in einem Strafverfahren zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

    Die Lokomotive des D 180 wird, wegen des Lokomotivmangels im Zweiten Weltkrieg, nach dem Unfall repariert und 1941 wieder in Dienst gestellt. Nach einem Umbau 1964 erhält sie die Nummer 01 531. Sie ist heute unter der Nummer 01 1531 als Ausstellungsstück im Bahnbetriebswerk Arnstadt erhalten.

    Opferbilanz: 186 Tote, 106 Verletzte. Andere Quellen sprechen von 278 Toten und 453 Verletzten. Es ist das bisher schwerste Zugunglück auf Deutschlands Boden.

    22. 12. 1939: [Lipbach bei Friedrichshafen, Baden-Württemberg, Deutschland] Am Abend desselben Tages passiert in Deutschland das nächste, verheerende Zugsunglück.
    Ausgangslage: Die Bodenseegürtelbahn ist eingleisig und verläuft am Nordufer des Bodensees. Dort herrscht an jenem Abend starker Nebel. Die Personalsituation an der Strecke ist aufgrund des Zweiten Weltkriegs angespannt. So muss der einzige Mitarbeiter auf dem Stellwerk des Bahnhofs Markdorf einen 500 Meter entfernten beschrankten Bahnübergang ohne Fernbedienung mit bedienen. Dazu fährt er mit einem Fahrrad dort hin, schließt Schranken, wartet die Durchfahrt des Zuges ab und öffnet den Schranken wieder an, fährt mit dem Fahrrad zurück und steht nun erst wieder im Stellwerk zur Verfügung – und das alles bei Verdunkelung.

    Bahnhof Markdorf: Im Bahnhof Markdorf ist eine Reihe von Vorschriften zu beachten und der Umgang mit ihnen trägt zum Unfallgeschehen bei: Alle verkehrenden Sonderzüge sind, sobald ihr Verkehren bekannt gegeben wird, in ein Merkbuch einzutragen. Alle Einträge für den betreffenden Tag müssen um Mitternacht von dem diensthabenden Beamten dann auf eine im Bahnhofsbüro aushängende Merktafel zu übertragen werden. Verdunkelung ist reichsweit angeordnet, der Bahnhof Markdorf, einschließlich des Bahnsteigs, unbeleuchtet.

    Personenzug in westliche Richtung: Der Personenzug ist ein Sonderzug von Oberstdorf nach Müllheim und in westlicher Richtung unterwegs. Er trägt die Bezeichnung P Kar 21154 und verkehrt in einer Fahrplantrasse, die in Friedenszeiten einem Personenzug zur Verfügung steht, der nun aber nur noch „auf Anforderung“, in der Praxis aber selten verkehrt. Für diesen Bedarfsverkehr scheint die Trasse aber im Fahrplan – einschließlich der erforderlichen Zugkreuzung in Markdorf – im Fahrplan auf. Schon für den Vortag angekündigt, verkehrt der Sonderzug verspätet, weil die Zahl der zur Verfügung stehenden Wagen zu knapp ist. Das ist auch den Bahnhöfen an der Strecke bekannt gegeben worden. Der Zug wird von einer Lokomotive der Baureihe 57 gezogen, die eine Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h hat. Der Lok folgen 11 Durchgangswagen und 4 gedeckte Güterwagen für das Gepäck. Mit dem Zug reisen 700 Fahrgäste, Einwohner aus Weil am Rhein und Umgebung, die seit dem 3. September 1939 aufgrund des Zweiten Weltkriegs von der französischen Grenze ins Allgäu evakuiert worden waren, zurück in ihre Wohnorte, nachdem bis Ende 1939 nahezu keine Kampfhandlungen an der Grenze stattgefunden hatten.

    Güterzug in östliche Richtung: Der täglich verkehrende Kohlezug Dg 7953, fährt in östliche Richtung auf der gleichen Strecke und hat Lindau als Ziel. Er wird ebenfalls von einer Dampflokomotive der Baureihe 57 gezogen. Ein mitfahrender Zugsicherer hat sich im Bremserhaus des letzten Wagens aufzuhalten. Bei Durchfahrt durch einen Bahnhof hat er Blickkontakt mit dem Aufsichtsbeamten aufzunehmen, tags mit Handanlegen an die Mütze zu grüßen, nachts durch Anheben der Signallaterne. Da es kalt ist, ist der Zugsicherer aber mit Duldung des Zugführers in den Packwagen, der unmittelbar hinter der Lokomotive läuft, gestiegen, um sich zu wärmen. Die Züge sollten planmäßig in Markdorf kreuzen. Laut örtlicher Vorschrift müsste der Güterzug in jedem Fall in Markdorf halten müssen, selbst wenn das Ausfahrsignal „Fahrt frei“ zeigt und der Lokführer müsste den Abfahrauftrag durch den Fahrdienstleiter abwarten.

    Beide Züge unterlagen ebenfalls den Verdunkelungsvorschriften, das heißt, dass sie kein Spitzensignal hatten, sondern statt der „friedensmäßigen“ Beleuchtung nur schmale Lichtschlitze an den Lampen.

    Unfallhergang:

    Bahnhof Markdorf: Der stellvertretende Bahnhofsvorstand nimmt am 21. Dezember 1939 kurz vor 20 Uhr das Telegramm entgegen, das ankündigt, dass der P Kar 21154 am folgenden Tag verkehren werde. Er trägt das nicht ins Merkbuch ein. Sein ihn in der Tagschicht des 22. Dezember 1939 ablösender Chef bemerkt diesen Fehler auch nicht. Ihn löst wiederum gegen 19:00 Uhr sein Stellvertreter ab. Er hat den Sonderzug offenbar vergessen. Deshalb informiert er auch die anderen Mitarbeiter, Weichenwärter und Stellwerk nicht. Bei Schreibarbeiten unterbrochen, nimmt er um 22:06 Uhr den Güterzug vom Bahnhof Bermatingen-Ahausen an und stellt um 22:07 Uhr das Ausfahrsignal des Bahnhofs Markdorf auf „Fahrt frei“, ohne den Güterzug vorher dem Bahnhof Kluftern anzubieten und dessen dortige Annahme abzuwarten. Dies ist möglich, weil ein Streckenblock nicht vorhanden ist. Er hat im entscheidenden Moment einen Blackout, ist auf seine Schreibarbeiten konzentriert und hat den entgegenkommenden Personenzug einfach vergessen.

    Bahnhof Kluftern:

    Um 22:12 Uhr wird der Sonderzug dem Bahnhof Kluftern aus Fischbach angeboten und der Fahrdienstleiter nimmt ihn an. Um 22:14 bemüht sich der Fahrdienstleiter in Kluftern vergeblich, seinen Kollegen in Markdorf zu erreichen, um ihm den Zug anzubieten – dort geht niemand ans Telefon. Er verlässt sich daraufhin auf den Fahrplan und die darin vorgesehene Kreuzung der Züge in Markdorf und lässt den Personenzug auf die Strecke, ohne sich zuvor in Markdorf zu versichern, dass der nach dort führende Streckenabschnitt frei ist. Anschließend versucht er erneut, den Bahnhof Markdorf zu erreichen. Da aber zeitgleich der Fahrdienstleiter von dort auch versucht, in Kluftern anzurufen, um den Güterzug anzubieten, kommt keine Verbindung zustande. Daraufhin sendet der Fahrdienstleiter Kluftern ein Läutesignal, das einen Zug ankündigt, an den Bahnhof Markdorf.

    Durchfahrt des Güterzuges in Markdorf:

    Erst das Läutesignal bewirkt, dass dem Fahrdienstleiter in Markdorf der Sonderzug wieder einfällt. Er läuft auf den verdunkelten Bahnsteig, aber die Lokomotive des Güterzuges hat bereits das Empfangsgebäude passiert. Er hat weder einen beleuchteten Befehlsstab, noch eine Handlaterne, noch seine Trillerpfeife zur Hand. Der Zug hält entgegen der Vorschrift nicht, keiner im Zug bemerkt ihn und der Zugsicherer, der sich im letzten Wagen aufhalten sollte, befindet sich im Packwagen, vorne im Zug. Der Fahrdienstleiter läuft zurück in sein Büro und versucht, das Stellwerk zu erreichen, damit von dort ein Haltesignal gegeben werden kann. Das aber misslingt, denn der Mitarbeiter wartet ja bei der Schranke, dass der Güterzug durchfährt. Der Fahrdienstleiter versucht daraufhin erneut, den Bahnhof Kluftern zu erreichen. Die Verbindung kommt nun sofort zustande – aber zu spät: Der Sonderzug hat den Bahnhof Kluftern bereits durchfahren.

    Unfallgeschehen: Die beiden Züge fahren auf einer 2,5 km langen Geraden aufeinander zu. Da dichter Nebel herrscht und die beiden Lokomotiven wegen der Verdunklung nur ein reduziertes, schlecht erkennbares Spitzensignal führen, sehen sich die Lokomotivführer trotzdem nicht oder erst im letzten Augenblick: Während der Güterzug überhaupt nicht bremst, löst der Lokomotivführer des Personenzuges noch im letzten Moment eine Schnellbremsung aus. So stoßen die Züge um 22:19 Uhr bei Streckenkilometer 43,190 frontal und beinahe ungebremst bei einer Geschwindigkeit von je 60 km/h zusammen. Die Lokomotiven bleiben stehen, ohne umzustürzen. Die beiden ersten Personenwagen werden komplett zerstört, der Schlepptender der Lok des Personenzuges bäumt sich beim Aufprall auf und fällt dann auf den ersten Wagen zurück. Zwei weitere Personenwagen werden schwer beschädigt. Der Packwagen des Güterzuges und die ersten 15 offenen Kohlewagen türmen sich zu einem Trümmerhaufen auf.

    Folgen:Auf dem Marktplatz in Markdorf werden am ersten Weihnachtsfeiertag die Särge aufgestellt, und unter Beteiligung höchster Partei- und Wehrmachtsverteter, unter anderem auch Gauleiter und Reichsstatthalter Robert Wagner, wird von den Toten Abschied genommen. Anschließend werden sie mit einem Sonderzug in ihre Heimat überführt.

    Das Landgericht Konstanz verurteilt am 3. Juli 1940 den Fahrdienstleiter von Kluftern zu zwölf Monaten Gefängnis, sein Markdorfer Kollege, der als Hauptschuldiger verurteilt wird, erhält drei Jahre Gefängnis.

    In Lipbach wird am 22. Dezember 1989 ein Gedenkstein enthüllt, der an den Unfall erinnert.

    Opferbilanz: 101 Tote, 47 Verletzte. 98 Todesopfer stammen aus dem Markgräflerland, aus Binzen, Egringen, Fischingen, Haltingen, Weil am Rhein und Welmlingen.

    Vor 50 Jahren:

    20. 12. 1964: [Mexiko] In Tacotalpa fährt ein Güterzug auf einen Reisezug auf, in dem sich hauptsächlich Reisende befinden, die nach Weihnachtseinkäufen in Mexiko City auf der Heimreise sind. Dabei werden die beiden letzten Waggons des Reisezuges zerstört.
    Opferbilanz: 46 Tote, 26 Verletzte.

    Vor 15 Jahren:

    18. 12. 1999: [Zentralnigeria] Auf einem Bahnübergang fährt ein mit Händlern besetzter Lkw gegen einen Zug.
    Opferbilanz: Mindestens 50 Tote.

    Quellen: Katastrophen auf Schienen von Peter Semmens, Transpress Verlag Stuttgart, 1996.
    Eisenbahnunfälle in Europa von Erich Preuß, Transpress Verlag Berlin, 1991 und Wikipedia.

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • Vor 45 Jahren:

    Hier eine Meldung vom 20. 12. 1969, die angesichts der derzeit herrschenden Temperaturen und des akuten Schneemangels fast ein wenig exotisch anmutet. Aber damals gab es halt noch "richtige" Winter:
    Zwischen Bruck/Leitha und Parndorf fährt der Personenzug 2613 um 11:25 Uhr in eine ca. 4 m hohe Schneewächte, die Bergung des Zuges ist auf Grund des tobenden Schneesturmes unmöglich. Die Fahrgäste werden in der Zugführerkabine im Tender einer 52er nach Bruck/L. zurückgeholt. In der Folge spitzt sich die Situation weiter zu, da ein als Lz fahrendes Tfz. durch Schneepressung entgleist sowie ein Triebwagen und eine Lok in den Schneewächten steckenbleiben. Der Abschnitt Bruck - Parndorf ist durch diese Fahrzeuge blockiert und der internationale Verkehr nach Ungarn unterbrochen. Ex 20, besetzt mit ca. 600 Gastarbeitern auf dem Weg in den Weihnachtsurlaub, strandet deshalb in Bruck. Da die Versorgung der Fahrgäste in Bruck nicht sichergestellt werden kann, wird der Ex 20 in der Nacht auf den 21. 12. nach Wien zurückgeschickt. Ex 20 und alle folgenden Expresszüge Richtung Ungarn mit zusammen über 1600 Fahrgästen werden in Wien West bis zur Beruhigung der Wetterlage zurückgehalten. Die Fahrgäste werden während der Wartezeit in West mit Tee und Würstel versorgt. Die aus Ungarn kommenden Ex 6 und Ex 19 werden am 20. 12. in Hegyeshalom gestoppt und am 21. 12. nach Budapest zurückgeschickt. Nach Beruhigung der Wetterlage verkehrt als erster Zug Richtung Ungarn der Ex 5, Wien West ab am 22. 12. um 03:05 Uhr. Erster Zug Richtung Österreich ist am 22. 12. Ex 6.
    Die Unterbrechung der Bahnverbindung nach Ungarn über die Ostbahn dauert nur etwas mehr als einen Tag. Alle Straßenverbindungen Richtung Ungarn sind mehr als eine Woche unterbrochen. Die A 4 gibt es noch nicht. Das Bundesheer ist mit Bergepanzern tagelang beschäftigt, liegengebliebene Sattelschlepper abzuschleppen und die Schneewächten niederzuwalzen. Die tagelange Sperre der Straßenhauptverbindung zwischen Györ und Bruck hat zur Fölge, dass zahlreiche Kühltransporte mit Weihnachtsgänsen und sonstigem Geflügel aus Rumänien und Bulgarien im Schnee stecken und dadurch einen vorweihnachtlichen Versorgungsengpaß im Wiener Lebensmittelhandel auslösen.

    Das waren halt noch Zeiten, als die Bahn nach einem Schneechaos nach etwas mehr als 24 Stunden wieder fuhr, während der Straßenverkehr für eine Woche unterbrochen war. Heute ist es leider meistens umgekehrt......

    Die damalige Schneekatastrophe begann damals bereits am 05. 12. Am 09. 12. gab es in Ostösterreich schon Schneehöhen von 40 - 50 cm. Erschwerend kamen noch orkanartige Schneestürme hinzu, die auf den damals noch zahlreichen Nebenstrecken des Industrieviertels und des Burgenlandes zu massiven Schneeverwehungen und steckengebliebenen Personenzügen führten. Am 10. 12. beruhigte sich die Lage, doch nach zehn Tagen ging am 20. 12. es schon wieder los. Siehe oben....

    Quellen: Eisenbahn Österreich, Heft 2/1970, S. 26ff. und Eisenbahnunfälle in Europa von Erich Preuß, Transpress Verlag, Berlin 1991, S. 22.

    Zur Illustration der Schneehöhe das Foto von der Schneeschleuder 986.101 bei der Räumung der Strecke Bruck/L. - Petronell-Carnuntum zwischen Rohrau und Petronell:

    Foto: Schmied, aus: EÖ-Heft 2/1970, S. 28.

    dr. bahnsinn - der Forendoktor