Die Donauuferbahn im Wechselbad ihrer Geschichte

  • Bekanntlich hat das Land NÖ am 12. 12. 2010 den mittleren Abschnitt der Donauuferbahn zwischen Emmersdorf und Sarmingstein übernommen. Am selben Tag haben die ÖBB sämtliche noch bestehenden Güter-Verladestellen zwischen Perg und Kleinpöchlarn geschlossen und die bis zu diesem Datum noch zwei bis drei Mal in der Woche verkehrenden Güterzüge eingestellt. Seither ist der Abschnitt zwischen Sarmingstein und Krems von jedem Zugverkehr befreit. Das Land NÖ hat aber in Zukunft nicht vor, den Mittelabschnitt zu nutzen, obwohl speziell im touristischen Verkehr im Gesamtdurchlauf zwischen Linz und Krems durchaus Potential vorhanden wäre. So viel ich weiß, konnten sich die Länder NÖ und OÖ über die Aufteilung der aus dem Tourismusverkehr entstehenden Kosten nicht einigen.

    Ich weiß nicht, wie weit das Land NÖ überhaupt weiß, welche Investitionen samt deren Kosten, die in den vergangenen Jahren in die Streckeninfrastruktur gesteckt worden sind, durch die Einstellung der Bahn im wahrsten Sinn des Wortes gestrandet sind. Gerade zwischen der Landesgrenze zu OÖ und Persenbeug wurden seit der Jahrtausendwende eine Reihe von Brücken neu gebaut sowie aufwändige Felssanierungen und Steinschlagverbauungen durchgeführt. Die letzten Felssanierungen fanden 2009! statt.

    Da wurden Millionen investiert, die durch die Bahneinstellung in den Sand gesetzt worden sind. Das ist aus meiner Sicht Verschleuderung von Volksvermögen, für das sich die dafür Verantwortlichen rechtfertigen müssten.
    Aber ich weiß natürlich schon, wie die Rechtfertigungen ausschauen würden: ÖBB-Infrastruktur würde argumentieren, dass ihr die Strecke nicht mehr gehört. Die ÖBB-Holding würde argumentieren, dass sie die Strecke nie hergegeben hätte, wenn jemand (sprich, die Steuerzahler) für die Streckenerhaltung und den Betriebsabgang aufgekommen wäre. Das Land NÖ würde durch das Nebenbahneinstellungssprachrohr Heuras ausrichten lassen, dass die ÖBB die Strecke seit Jahren verludern haben lassen und nichts investiert haben. Das Land sei schließlich nicht dazu da, alle Nebenbahnen zu retten, auch wenn es das ehrliche Bemühen gegeben habe usw. usf....

    Damit sich die User ein wenig ein Bild machen können, welche Infrastruktur-Investionen in die Donauuferbahn, die in den letzten paar Jahren allein zwischen den Streckenkilometern 56,35 (auf Höhe des Kraftwerkes Ybbs-Persenbeug) und 63,35 (knapp vor der Landesgrenze zu OÖ) nunmehr ungenutzt vor sich hin rotten, hier eine Auswahl davon. Die Fotos stammen von heute Mittag.

    Neubau der Brücke über den Prielgraben und über eine Firmenzufahrt in km 56,30:

    Neubau der Brücke über den Knoglgraben in km 56,15:

    Neubau der Brücke über die Viehtrifter Landesstraße in km 57,40:

    Neubau der Brücke über den Föhrenbach in km 57,45:

    Felssanierungen mittels aufwändiger Felsanker zwischen Weins-Isperdorf und Hirschenau-Nöchling im Jahr 2009, hier im Bereich des km 60,50:

    Errichtung von Steinschlagzäunen zwischen Weins-Isperdorf und der Landesgrenze, hier zwischen km 60,50 und 60,75, errichtet im Jahr 2009. Am rechten Bildrand sind die neu angebrachten Felsanker zu sehen:

    Neubau der Ysperbrücke in Isperdorf in km 61,75. Die Brücke ist mit 32 m die längste Eisenbrücke auf der Donauuferbahn (die Mauthausener Donaubrücke ausgenommen):

    Neubau eines Feldweg-Durchlasses in Kalkgrub knapp vor der Grenze zu OÖ in km 63,35:

    So viel zu den ständigen Beteuerungen von Heuras und Konsorten, man könne nicht alle verluderten Nebenbahnen der ÖBB retten. Welche Geldsummen hier als gestrandete Investitionen vergammeln, will ich gar nicht wissen. Bei ÖBB-Infrastruktur gibt es sicher einen dicken Ordner, wo sie fein säuberlich verzeichnet sind. So viel zum Thema "Ordentlicher Umgang mit dem Geld der Steuerzahler durch die öffentliche Hand, speziell durch das Land NÖ und die ÖBB, aufgezeigt am Beispiel Donauuferbahn."*)

    So viel für heute. Morgen gibts vielleicht noch ein paar Fotos von den alten Brücken. Wenn ich die Fotos finde.

    *) Wär' eigentlich ein tolles Thema für eine Diss oder Diplomarbeit durch einen Finanz-Experten. Grasser vielleicht? Nein, der schreibt doch schon eine oder? Zibuschka? Der ist eh schon Doktor! Bleib' nur mehr ich über! ;D

    dr. bahnsinn

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

    Einmal editiert, zuletzt von dr. bahnsinn (7. März 2011 um 23:41)

  • Zitat

    *) Wär' eigentlich ein tolles Thema für eine Diss oder Diplomarbeit durch einen Finanz-Experten. Grasser vielleicht? Nein, der schreibt doch schon eine oder? Zibuschka? Der ist eh schon Doktor! Bleib' nur mehr ich über! ;D

    Nach der Methode GuttenbergTM? 8:)

    Einmal editiert, zuletzt von dr. bahnsinn (7. März 2011 um 23:42)

  • Danke, dr. Bahnsinn, du triffst den Nagel auf den Kopf und sprichst mir aus der Seele!
    Diese Hin- und Herschieberei zwischen Land, Bund und ÖBB ist nur mehr lächerlich - schade, dass nur die Interessierten mitbekommen was da passiert (ich wette, bei 95% der "Otto-Normalbürger" ist noch nichteinmal angekommen, dass die Strecke(n) von der NÖVOG betrieben übernommen wurden)! :-\

    War nicht Teil des Vertrags zur Übernahme der Strecken, dass sämtliche LAs beseitigt werden müssen? Auf der MzB wurde zumindest bis zur Übernahme fleißig gearbeitet. Das würde zwar die Arbeiten erklären, aber nicht warum diese 2009 - wo von Übernahme noch keine Rede war - stattgefunden haben ???
    Und: 2009 ist doch eh "früh". Man bedenke: 2004 wurde die gesamte Strecke über Gerichtsberg saniert und im selben Jahr(!) eingestellt!

    lg

    Einmal editiert, zuletzt von dr. bahnsinn (7. März 2011 um 23:42)

  • [quote author=Alois link=topic=21283.msg137817#msg137817 date=1299530121]
    Nach der Methode GuttenbergTM? 8:)
    [/quote]

    Natürlich! Aber ich lasse dir den Vortritt und du darfst hier von meinem Posting abschreiben. In ein paar Jahren lass ich dich dann auffliegen! ;D ;D ;D

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

    Einmal editiert, zuletzt von dr. bahnsinn (7. März 2011 um 23:43)

  • [quote author=dr. bahnsinn link=topic=21283.msg137819#msg137819 date=1299530499]
    Natürlich! Aber ich lasse dir den Vortritt und du darfst hier von meinem Posting abschreiben. In ein paar Jahren lass ich dich dann auffliegen! ;D ;D ;D
    [/quote]

    Bis dahin hat's eh schon jeder vergessen :P :P :P

    Einmal editiert, zuletzt von dr. bahnsinn (7. März 2011 um 23:43)

  • Aber geh, Herr Bahndoktor! Nur net aufregen! Wen interessiert denn das schon? Du beschreibst das hier im Forum, wir wissen Bescheid - und dem Wähler ist das aber sowas von wurscht.

    Einmal editiert, zuletzt von dr. bahnsinn (7. März 2011 um 23:43)

  • [quote author=Lokalbahner link=topic=21283.msg137821#msg137821 date=1299531471]
    Aber geh, Herr Bahndoktor! Nur net aufregen! Wen interessiert denn das schon? Du beschreibst das hier im Forum, wir wissen Bescheid - und dem Wähler ist das aber sowas von wurscht.
    [/quote]

    Okay, soll so sein. Ich kann damit leben, da weder meine frühere noch meine jetzige Heimat im österreichischen Kernland unter der Enns liegen. Es wird mich daher auch nicht treffen, wenn sich die Niederösterreicher dereinst den eh schon bekannten Sager "Nur die allerdümmsten Kälber suchen sich den Schlächter selber" werden vorhalten lassen müssen.

    dr. bahnsinn

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • [quote author=Mariazellerbahn link=topic=21283.msg137818#msg137818 date=1299530360]
    - schade, dass nur die Interessierten mitbekommen was da passiert [/quote]

    Und? Keine Vorschläge, das zu ändern und die Thematik einer breiteren Öffentlichkeit zuzuführen??

  • [quote author=dr. bahnsinn link=topic=21283.msg137816#msg137816 date=1299529721]
    Morgen gibts vielleicht noch ein paar Fotos von den alten Brücken. Wenn ich die Fotos finde.
    [/quote]

    Da sind sie, die versprochenen Fotos. Sie stammen aus dem BiB-Band Nr. 85 "Die Bahn durch die Wachau" von Peter Wegenstein, Verlag Peter Pospischil, Wien 1992, Seiten 71, 72, 73 und 75.

    Die alte Föhrenbachbrücke mit einem für die 60er-Jahre typischen Donauuferbahn-Personenzug mit einer 93er. Die Reihe 93 war hier für fast alles zuständig, auch für die wenigen Güterzüge. Nur die Triebwageneilzüge Wien FJB - Linz Hbf. wurden mit Triebwagen der Reihe 5046 geführt.

    Diese beiden Aufnahmen zeigen die Ysperbrücke in Isperdorf. Oben aus der Anfangszeit der Bahn, unten in den 80er-Jahren. Die Veränderungen in der Landschaft durch das Kraftwerk Ybbs-Persenbeug sind gut zu erkennen.

    Eine andere Besonderheit ist auch noch erwähnenswert. In früheren Bahnzeiten verstand sich Bahn wirklich noch als Dienstleistungsunternehmen und so war es üblich, mithilfe der Personenzüge auch Milchtransporte abzuwickeln. Damals gab es in Baumgartenberg (zwischen Grein und Perg gelegen) noch die Machland-Molkerei, die die Milchkannen von den Sammelstellen mittels Lkw abholen ließ. Nur unterhalb von Sarmingstein rentierte sich wegen der paar Milchkannen die Lkw-Tour für die Molkerei nicht mehr. Deshalb stellten die Bauern aus Hirschenau und Umgebung ihre Milchkannen in der Früh in der heute auch nicht mehr bedienten Haltestelle Hirschenau-Nöchling auf den Bahnsteig, wo sie von Schaffner und Zugführer gemeinsam in den 5046-Gepäckraum verladen wurden. Mit dem Nachmittagszug um etwa 16:00 Uhr kamen die leeren Milchkannen auf dem gleichen Weg wieder retour.

    Das ungenutzte Haltestellengebäude von Hirschenau-Nöchling ist heute in einem besseren Zustand als vor 25 Jahren, als es noch benutzt wurde. Siehe Foto unten, aufgenommen im alten Gemeindeamt in St. Nikola/Donau am 6. 12. 2009 anlässlich der 100-Jahr-Feier der Donauuferbahn. O tempora mutantur!

    dr. bahnsinn

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

    Einmal editiert, zuletzt von dr. bahnsinn (8. März 2011 um 19:11)

  • Hin und wieder gibt es auch positive Nachrichten vom Güterverkehr auf einer Nebenbahn. Seit ca. zwei Wochen verkehren auf dem der NÖVOG gehörenden Streckenabschnitt Sarmingstein - Weins-Ysperdorf nach einer Pause von knapp zweieinhalb Jahren wieder Güterzüge. Drei Mal wöchentlich (Mo, Mi, Fr) wird Rundholz vom Holzlagerplatz der Habsburg-Lothringischen Forstverwaltung nach Lenzing abgefahren. EVU ist RCA mit Reihe 2016. So wie es ausschaut und laut Auskunft des Fdl. von Grein-Bad Kreuzen, von dem ich die Informationen habe, ist die Sache sogar auf Dauer vorgesehen. Das beweist auch die Tatsache, dass der Verladeplatz derzeit vergrößert wird, um statt wie bisher nur acht, in Hinkunft zehn 4x-Rungenwagen beistellen zu können. Durch diese Holzzüge gibt es wieder Güterzüge auf der Donauuferbahn östlich von Perg.

    Ich war heute am Bahnhof Weins-Ysperdorf und habe ein paar Fotos von den aktuellen Verladearbeiten gemacht:

    Das Ladegleis war mit acht beigestellten Waggons komplett ausgelastet. Die Fotos zeigen die Verladearbeiten und die imposante Wagenschlange:

    Wie oben schon geschrieben, wird der Verladeplatz gerade verlängert. Das Foto zeigt die Planierarbeiten. Im Hintergrund ist das Bahnhofsgebäude Weins-Ysperdorf zu sehen:

    Fotos: dr. bahnsinn. Die Fotos stammen vom 14. 05. 2013, ca. 11:00 Uhr.

    dr. bahnsinn - der Forendoktor