Wie schon aus dem Rätsel-Board bekannt sein dürfte, genoss ich in den vorwöchigen Semesterferien eine Kulturbrause auf den Spuren der griechischen Götter. Ich benutzte dabei die Gelegenheit, um einen kleinen Eindruck über den Zustand der Griechischen Eisenbahn zu gewinnen. Mein Resumé ist leider: Traurig, traurig. Aber seht selbst:
Die erste Begegnung mit der Staatsbahn OSE (Organismós Sidirodrómon Elládos [ΟΣΕ, Οργανισμός Σιδηροδρόμων Ελλάδος]) findet in Thessaloniki im Norden Griechenlands statt. Auf dem Weg zum Hauptbahnhof zwingt mich die Baustelle für die neue U-Bahn zu ein paar Umwegen. Ich bin schon spät dran, es geht schon gegen 17:30 Uhr und ich will das schon spärlich werdende Tageslicht noch ein wenig ausnutzen. Hier die U-Bahn-Baustelle in der Monastiriou-Straße:
Durch die vielen Absperrungen auf Grund des U-Bahn-Baues etwas irritiert, komme ich prompt auf der falschen Seite zum Bahnhof. Macht aber weiter nichts, denn erstens gibt es eh eine Unterführung und zweitens schert sich eh niemand, wenn die Leute einfach über die Gleise latschen. Als erstes fallen mir die drei abgestellten, mit Graffiti übersäten Reisewagen auf. Ich werde bald merken, dass es in Griechenland ausschließlich beschmierte oder mit Absicht "künstlerisch" gestaltete Waggons und Triebwagen gibt. Im Hintergrund ist ein abgestellter Desiro-Triebwagen der Reihe 460 zu sehen:
Auf dem aus sechs Bahnsteigkanten bestehenden Kopfbahnhof herrscht absolut tote Hose. Lediglich die Verschublok A124 hat sich an einen der Bahnsteige verirrt, um einen Graffiti-beschmierten Wagensatz aus dem Bahnhof in die Abstellgruppe zu befördern. Die A124 ist zweifellos deutschen Ursprungs. Unterlagen über diese Lokreihe suchte ich im Web leider vergeblich:
In Ermangelung anderweitiger Aktivitäten konzentrieren sich meine Interessen auf die mit Graffiti verzierten Waggons, wobei zugegebenermaßen auch originelle Kreationen (z. B. der Vorhang bei der Waggontür) zu sehen waren:
Auch gewohnt wird am Bahnhof der 325.000 Einwohner-Stadt Thessaloniki, wenn auch in etwas bescheidenen Verhältnissen:
Schließlich taucht doch noch eine Lok aus der Abstellgruppe im Hintergrund auf,....
....um sich vor den aus sechs Wagen bestehenden Wagensatz für den IC 61 nach Athen mit der Planabfahrt um 18:04 Uhr zu setzen. Es handelt sich um den HellasSprinter 120 016:
Schließlich wird auch der Desiro 460 112, der für den Regionalzug 2599 nach Larisa, Planabfahrt 18:37 Uhr, eingeteilt ist, bereitgestellt. Auch er ist, wie nicht anders zu erwarten, mit Graffitis übersät:
Am Ende des Bahnsteiges 2 stehend, geht der Blick Richtung Abstellgruppe. Im Hintergrund ist die A124 zu sehen. Links an der Auffahrrampe ein ebenfalls verzierter geschlossener Autotransportwagen. Ob es aktuell Autotransport-Züge gibt, weiß ich nicht, da derzeit keine personenbefördernden Züge ins benachbarte Ausland verkehren. Der asphaltierte Übergang vor den Bahnsteigen wird von Personen eifrig genützt, die unter den Bahnsteigen verlaufende Unterführung hingegen weniger:
Blick auf die beiden abfahrbereiten Züge vom Bahnsteigende aus gesehen:
Ein Werbesujet am Bahnsteig 1 mit einem Bewegung simulierenden Desiro versucht Dynamik bei den OSE zu suggerieren, was durch einen Blick auf die sich an und auf den Bahnsteigen präsentierte Realität kräftig konterkariert wird:
Die OSE versuchen derzeit der Graffiti-Verseuchung ihres Wagenparks dadurch Herr zu werden, indem die Wagen ganz offiziell "künstlerisch" ge- (bzw. verun)staltet werden. U. a. haben auch Today's Railways und EÖ in ihren Dezember- oder Jänner-Ausgaben mit Fotos darüber berichtet. Nur die Wagennummern bleiben von der Bemalung verschont. Sonstige Anschriften gibt es nicht (mehr). Weil die Wagen mangels bestehender Auslandsverbindungen ohnehin nicht ins Ausland kommen, spielt das Fehlen der Wagenanschriften auch keine Rolle:
Sporadisch findet man an den Waggons Wagennummern, Zuglaufschilder sucht man allerdings vergeblich. Sind aber auch nicht wirklich vonnöten, denn die Auswahl an Zugzielen ist bescheiden. IC fahren von Thessaloniki ausschließlich nach Athen, die 460 als Regionalzüge nach Larisa und dieselbespannte Züge (zwei- bis dreimal am Tag) Richtung Alexandroupoli und Richtung Edessa. In der nur sehr spärlich beleuchteten Bahnhofshalle findet sich eine einzige kleine digitale Anzeigentafel mit den Abfahrtszeiten. Ganze sieben Züge verlassen zwischen 18:00 und 24:00 Uhr den Hauptbahnhof der zweitgrößten Stadt Griechenlands. Bahnverkehr in Schmalspurausführung im wahrsten Sinn des Wortes sozusagen. Die großen Anzeigetafeln für die Abfahrts- und Ankunftszeiten in der Halle waren selbstverständlich außer Betrieb. Auch Aushangfahrpläne sucht man am gesamten Bahnhof vergeblich. Unter diesen Umständen versteht es sich von selbst, dass in der Unterführung bei den Aufgängen zu den Bahnsteigen Hinweise auf ankommende und abfahrende Züge fehlen. Immerhin, es gibt sowohl Rolltreppe als auch Lift zu den einzelnen Bahnsteigen:
Sogar die Fenster sind zugeklebt:
Sämtliche Zugzielanzeigen auf den Bahnsteigen sind außer Betrieb und so manche auch kaputt, so wie diese hier:
Reges Treiben am Bahnsteig und die 120 016 kurz vor der Abfahrt um 18:04 Uhr. Tatsächliche Abfahrt um 18:06 Uhr:
Der soeben abgefahrene IC 61 gibt den Blick auf einen am Kopfende des Bahnhofes abgestellten Desiro frei. Der Bahnsteig wird auch als Pkw-Abstellplatz genutzt:
Im Durchgang von der Bahnsteigunterführung in die Bahnhofshalle ist diese Draisine ausgestellt. Informationen dazu gibt es leider nur in griechischer Sprache:
Fotos: dr. bahnsinn, aufgenommen am Sonntag, 02. 02. 2014
Zur besseren Orientierung hier griechischen Bahnstrecken, zur Verfügung gestellt von Boris Chomenko
Fortsetzung folgt mit einem Besuch des Bahnhofes von Kalambaka, dort wo die Meteoraklöster wie Schwalbennester an den Felswänden kleben.