[F] Wiedereröffnung der Strecke Nantes - Châteaubriant als politischer Schildbürgerstreich

  • Wie in TR-Issue 220, p. 7 berichtet wird, geriet die an sich erfreuliche Wiederinbetriebnahme der 1980 im Personenverkehr eingestellten, 64 km langen Nebenbahn Nantes - Châteaubriant als "Tram-train" (vergleichbar etwa mit Regiobahn oder Überlandstraßenbahn) zu einem Schildbürgerstreich. Doch der Reihe nach:
    Am 31. Mai 1980 wurde auf der ca. 110 km langen, eingleisigen und nicht elektrifizierten Nebenbahn Nantes - Rennes der 64 km lange Abschnitt Nantes - Châteaubriant (ca. 12.000 EW) im Personenverkehr stillgelegt. Zu Anfang des neuen Jahrtausends ereignete sich in Frankreich ein schwerer Unfall auf einem Bahnübergang, worauf der damalige französische Verkehrsminister eine Aktion zur weitgehenden Eliminierung der Bahnübergänge initiierte und die Schaffung neuer schienengleicher Bahnübergänge bei Vollbahnen untersagte. Als nun die Reaktivierung des Streckenabschnittes Nantes - Châteaubriant betrieben wurde, hieß es im Hinblick auf die Bahnübergang-Problematik seitens der Politik: "Entweder nur als Tram-train-Linie oder gar keine Bahn!"
    Also biss man in den sauren Apfel und baute die Strecke zu einer normalspurigen Tram-train-Linie um und die offizielle Eröffnung fand am 28. Februar 2014 statt. Als Fahrzeuge sind vierteilige Straßenbahnfahrzeuge der Reihe U 53500 Citadis von Alstom für 100 Fahrgäste und mit rollstuhlgerechtem WC im Einsatz. Gefahren wird an sich mit 25 kV AC, nur dort, wo die Tram-train-Linie in Nantes parallel zur dortigen Straßenbahn fährt, wird mit 750 V DC gefahren. Zwischen Nantes und Châteaubriant verkehren durchgehend nur sieben Zugpaare. Dazu kommen noch weitere kuzgeführte Züge im Nahbereich von Nantes. Die Strecke ist eingleisig mit einer Zweispurinsel zwischen den Stationen Babinière und La Chapelle Centre, die abweichend von den französischen Gepflogenheiten im Rechtsverkehr befahren wird.
    Das Beharren auf einer Tram-train-Linie zog eine Reihe von Nachteilen nach sich und sorgte abseits der Politik für heftiges Köpfeschütteln und zwar aus folgenden Günden:

    So ist die Strecke mit dem Straßenbahn-Signalsystem gesichert, weshalb Güterzüge die Strecke nicht befahren können. Auch eine im Falle der Sperre der Hauptstrecke Nantes - Rennes über Redon eventuell erforderliche Umleitung von Zügen über die Tram-train-Linie ist nicht möglich. Umgekehrt können in dem Fall, dass die Citadis-Garnituren außer Betrieb genommen werden müssen, keine konventionellen Ersatzzüge eingesetzt werden.
    Als besonderer Clou wurde entgegen des angeordneten Verbots der Errichtung von schienengleichen Bahnübergängen bei 30 der bei der eingestellten Strecke ursprünglich vorhandenen 41 Bahnübergänge eine Ausnahme gemacht und deren Errichtung trotz des bestehenden Verbotes trotzdem erlaubt. Als weiteren Gag hat man in Châteaubriant die früher durchgehende Linie gekappt und die beiden Gleise der Tram-train-Linie mit Prellböcken abgesichert, um ein allfälliges Entrollen der Fahrzeuge auf die SNCF-Strecke nach Rennes zu verhindern! Der Übergang von Fahrzeugen auf die jeweilige andere Strecke ist in Châteaubriant daher nicht möglich. Die SNCF-Strecke nach Rennes bleibt weiterhin eine klassische französische Nebenbahn, die ebenfalls von sieben Zugpaaren Châteaubriant - Rennes mit Dieseltriebwagen der Reihe X 2100 bedient wird. Angesichts der oben geschilderten Schildbürgereien versteht es sich von selbst, dass die Fahrpläne der Strecken Nantes - Châteaubriant und Châteaubriant - Rennes nicht aufeinander abgestimmt sind, sodass eine Tagesfahrt Nantes - Rennes - Nantes über Châteaubriant nicht möglich ist, obwohl in Châteaubriant zum Umsteigen lediglich eine Wegstrecke von rd. 100 m zurückgelegt werden müsste.

    Wie man hier lesen kann, gibt es also auch anderswo in Sachen Eisenbahn richtige Schildbürgereien und nicht nur bei uns. :D

    Zur Orientierung: Eisenbahnkarte Frankreich, Suchfeld C-4/5

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • Die am 28. 02. 2014 als Überlandstraßenbahn wiedereröffnete, 1980 stillgelegte 64 km lange Nebenbahn zwischen Nantes und Châteaubriant, ist besser gestartet, als die Bestellerregion Pays de la Loire es erwartet hatte. In den ersten beiden Monaten nutzten 1200 Fahrgäste pro Tag die Züge, obwohl nur sechs bis sieben Zugpaare verkehrten und außerdem noch parallel verkehrende Autobusse mit günstigeren Tarifen der Bahn Konkurrenz machen.
    Auf Grund des guten Zuspruches werden seit 05. 05. 2014 im Vororteverkehr zwischen Nantes und Sucé-sur-Erdre weitere sechs Zugpaare in Verkehr gesetzt und ab 25. 08. 2014 soll mit 24 Zugpaaren zwischen Nantes und Sucé-sur-Erdre die Fahrplanverdichtung abgeschlossen sein.

    Quelle: EÖ-Heft 8/2014, S. 413.

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • Auf Grund des guten Zuspruches werden seit 05. 05. 2014 im Vororteverkehr zwischen Nantes und Sucé-sur-Erdre weitere sechs Zugpaare in Verkehr gesetzt und ab 25. 08. 2014 soll mit 24 Zugpaaren zwischen Nantes und Sucé-sur-Erdre die Fahrplanverdichtung abgeschlossen sein.

    Seit damals dürfte es keine Aufwärtsentwicklung der Fahrgastzahlen mehr gegeben haben und in der Stadtverwaltung von Châteaubriant scheint sich etwas Ernüchterung über die stagnierenden Fahrgastzahlen breit machen. Sie veröffentlichte die aktuellen Fahrgastzahlen, die mit 1.277 Fahrgästen pro Tag gleich hoch wie zur Zeit der Streckeneröffnung sind. Die Stadt Châteaubriant kritisiert, dass der Fahrpreis zu hoch, der Service mäßig und die Alstom-Züge, die derzeit das Straßenbahnnetz in Nantes nicht befahren dürfen, unzuverlässig seien. Weiters wird die damalige Entscheidung, den durchgehenden Verkehr von Châteaubriant bis Rennes (siehe Eröffnungsbeitrag) zu kappen, als Fehlentscheidung kritisiert.
    Quelle: TR EU-Heft Nr. 279, S. 44.

    dr. bahnsinn - der Forendoktor