Nach jahrelangem Siechtum ist es am 27. Februar so weit. Die Linzer Eisenbahnbrücke wird endgültig gesperrt:
Eiserner Abschied
20. Februar 2016 - 00:05 Uhr
Lange wurde nach Lösungen gesucht, das Ende kam dann doch abrupt. So wie der Beginn war auch das Ende der Linzer Eisenbahnbrücke mit Wirrnissen verbunden. Roman Sandgruber und sein Nachruf auf die einst moderne Brücke.
Die Geschichte der Linzer Eisenbahnbrücke ist eine Geschichte der halben Lösungen. Als die Mühlkreisbahn 1888 eröffnet wurde, hatte sie keinen Anschluss an das österreichische Eisenbahnnetz. Die Stadt Linz favorisierte eine Anbindung an den Hauptbahnhof über eine neu zu errichtende Brücke. Der damals noch selbstständige Markt Urfahr wollte eine zwar deutlich längere, aber viel billigere Verbindung mit der Summerauerbahn bei der schon 1873 eröffneten Steyregger Eisenbahnbrücke. Linz setzte sich durch. An sich wäre auch die um die Hälfte billigere Anbindung an die Summerauerbahn ausreichend gewesen, weil sowieso nie eine Personenverbindung zum Linzer Hauptbahnhof eingerichtet wurde und für den Frachtverkehr der Umweg über Steyregg kaum ins Gewicht gefallen wäre.
Der Bau war von vielen Wirrnissen begleitet. Gleich nach Baubeginn war 1897 die Badeni-Krise ausgebrochen, bei der notwendige Regierungsentscheidungen durch Dauerreden im Parlament blockiert wurden. Der Brückenbau kam wegen der Obstruktionspolitik vorerst zum Erliegen. Monatelang stand ein einzelner, viel verspotteter "Obstruktionspfeiler" im Flussbett. Dann folgten 1897 und 1899 kurz hintereinander zwei Donauhochwässer, die beiden stärksten im 19. und 20. Jahrhundert, und im Jänner 1900 eine abnorme Kältewelle mit einem 40 Kilometer langen Eisstoß.
Modernste Technik
Für die Konstruktion war die damals modernste Technik gewählt worden: genietetes Eisenfachwerk, Bogenbrücke, 375 Meter lang, freie Stützweite im Fluss von rund 215 Metern, Fahrbahnbreite 35 Meter, kombinierte Eisenbahn- und Straßenverkehrsbrücke. Der k.u.k. Hofschlosser Anton Birò und die Wiener Firma E. Gärtner zeichneten verantwortlich. Die Mittel stammten von der Stadtgemeinde Linz, der Mühlkreisbahn, der Oberösterreichischen Sparkasse und öffentlichen Subskribenten. Für heutige Verhältnisse war der Bau extrem billig: exakt 1.899.420 Kronen. Mit dem Verbraucherpreisindex auf heutige Werte umgerechnet, wären das 10,5 Millionen Euro. Man muss allerdings bedenken, dass das Jahreseinkommen eines Bauarbeiters um 1900 bei höchstens 1500 Kronen, also auf heutiges Preisniveau umgerechnet etwa bei 8000 Euro lag, während man heute inklusive Steuern und Lohnnebenkosten mindestens 40.000 Euro pro Arbeiter ansetzen müsste.
Die Brücke hat manches erlebt. Im Jahr 1900 gab es noch kein Auto in Linz, auch kaum Radfahrer. Der Straßenverkehr bestand aus Pferdefuhrwerken und Ochsenkarren. Auch viele Fußgänger werden sie frequentiert haben. Der Brückenverkehr wurde von Schrankenwärtern geregelt. 1919 entstand im Schatten der Brücke die älteste Linzer Kleingartenanlage. Es herrschte Hunger. Im Bürgerkrieg 1934 war sie heiß umkämpft und die letzte Stellung auf Urfahrer Seite, die von den Schutzbündlern geräumt wurde. Das Bundesheer hielt die Linzer Seite. Eine Gedenktafel erinnert an den dort gefallenen Bundesheeralpenjäger Alois Buchinger, "welcher an dieser Stelle in treuer Ausübung seiner Soldatenpflicht im 19. Lebensjahr am 12. Februar 1934 um 15 Uhr den Heldentod starb". Das Geschehen war tragisch: Buchinger war Aktivist der Sozialistischen Arbeiterjugend, wollte über die Brücke zu seinen Freunden auf der Urfahrer Seite hinüberrobben und wurde von den Steeger Schutzbündlern als vermeintlicher Angreifer erschossen.
Quelle: OÖN
Alte Ansichten von der Eisenbahnbrücke gibt es hier zu sehen.