Ende Mai dieses Jahres nahm ich an einer Bulgarienrundreise teil, die in Sofia ihren Ausgang nahm und auch dort endete. Das gab mir die Gelegenheit, der Straßenbahn in Sofia einen kurzen Besuch abzustatten. Die Straßenbahn gibt es in der bulgarischen Hauptstadt seit 115 Jahren, denn die Eröffnung fand im Januar 1901 statt. Die Straßenbahn hat zwei Besonderheiten aufzuweisen. Erstens ein Netz mit zwei Spurweiten mit einem kurzen Dreischienengleis-Abschnitt und zweitens eine absolut unübliche Spurweite von 1009 mm, die dadurch zustande kam, dass im Lauf der Zeit durch die starke Abnutzung der Gleise aus der Meterspur eine Spurweite von 1009 mm geworden war. Im Jahr 1927 stellte man fest, dass es billiger wäre, es dabei zu belassen, als auf 1000 mm zurückzuspuren und die Wagen an diese Spurweite anzupassen. Seither fährt der schmalspurige Fahrzeugpark der Sofioter Straßenbahn mit dieser weltweit einzigartigen Spurweite durch die Stadt.
40 km des insgesamt 209 km langen Straßenbahnnetzes sind normalspurig, die von den Linien 20, 22 und 23 befahren werden. 169 km sind schmalspurig mit den Linien 1, 3 bis 8, 10, 11, 12 und 18.
Der Fahrzeugpark setzt sich aus einem Sammelsurium an Fahrzeugen zusammen, dessen einzige wirklich moderne Fahrzeuge die derzeit in Auslieferung befindlichen Pesa Swing sind, von denen aktuell 25 Fahrzeuge auf den Linien 1 und 7 im Einsatz sind. Insgesamt gibt es 16 einsatzfähige Fahrzeugreihen, darunter acht Normalspurreihen (je vier von ČKD Tatra und von Duewag). Die Tatra-Fahrzeuge wurden teilweise von den Verkehrsbetrieben Prag und Leipzig übernommen, jene von Duewag von der Straßenbahn Bonn.
Die Straßenbahn in Sofia ist übrigens der einzige Straßenbahnbetrieb in Bulgarien. Im Jahr 1904 gab es eine Ausschreibung für den Bau einer Straßenbahn in Bulgariens zweitgrößter Stadt Plovdiv. Das Projekt, das auch eine Überlandverbindung mit der südöstlich von Plovdiv gelegenen Stadt Assenowgrad vorsah, zerschlug sich aber. Assenowgrad (ca. 65.000 EW) ist heute durch eine elektrifizierte eingleisige Stichbahn, die unmittelbar, aber ohne Haltepunkt am Plovdiver Flughafen vorbeiführt, mit Plovdiv verbunden. Weitere Informationen zur Straßenbahn Sofia gibt es hier.
Zur Orientierung hier das Streckennetz der Sofioter Straßenbahn:
Grafik: Wikipedia
Der erste Fotostandort befindet sich bei der Haltestelle Jugendtheater (roter Kreis) am Fürst Aleksandar Dondukov-Boulevard, der zweite beim Justizpalast (blauer Kreis) und der dritte an der Kreuzung Makedonia-Boulevard – Hristo Botev-Boulevard (grüner Kreis)
Am Standort Jugendtheater/Fürst Aleksandar Dondukov-Boulevard fotografierte ich Fahrzeuge des Normalspurnetzes, das die Tramlinien 20, 22 und 23 umfasst, die den Osten der Stadt bedienen. Im Jahr 1987 wurde die Linie 20 als erste auf Normalspur umgestellt. 1995 folgte die Linie 22 und 2010 die Linie 23.
Am Fürst Aleksander Dondukov-Boulevard entdeckte ich auf einer Plakatwand mehrere (undatierte) Fotos aus der Anfangszeit der Straßenbahn, auf denen mehrere Straßenbahnzüge auf dem Aleksandar Dondukov-Boulevard zu sehen sind:
Tw 4103 (Reihe T6B5B*), gebaut bei ČKD Tatra ab 1988) ist auf der Linie 20 solo am Fürst Aleksandar Dondukov-Boulevard unmittelbar vor der Haltestelle Jugendtheater auf dem Weg zur Endstation U-Bahnhof Opaltschenska:
*) Das zweite B steht für Bulgarien
Der Tw 4130 fährt mit Beiwagen auf der Linie 20 durch den Fürst Aleksandar Dondukov-Boulevard Richtung Endstation Depot Iskar:
Was den Zustand der Infrastruktur anbelangt, besteht einiger Handlungsbedarf (Fürst Aleksandar Dondukov-Boulevard):
Tw 4035 (Reihe T4D-M; gebaut bei ČKD Tatra ab 1981 für die Verkehrsbetriebe Leipzig, seit 2010 in Sofia) mit Beiwagen B4D-M vom Ausgangsbahnhof Depot Krasna Poljana kommend auf dem Fürst Aleksandar Dondukov-Boulevard Richtung Endstation Busbahnhof Ost. Zwischen dem Depot Krasna Poljana und der Kreuzung Konstantin Velichkov-Boulevard – Pirotska-Straße befährt die Linie 22 das oben erwähnte Dreischienengleis (siehe Grafik - grüne Linie):
Haltestelle Jugendtheater (Mladezaki Teatar): Der nächste Zug der Linie 20 zur Endstation Depot Iskar kommt in sechs Minuten:
Haltestelleninformation in der Station Jugendtheater:
Im Bereich der Haltestelle Jugendtheater liegt noch das Dreischienengleis, das seit 2010, als die Linie 23 auf Normalspur umgestellt wurde, nicht mehr in Betrieb ist. Der Trassenzustand hat sehr viel Luft nach oben:
Tw 4415 (Reihe GT8Z, gebaut bei Duewag ab 1961, übernommen von der Straßenbahn Bonn) als Linie 23 in der Haltestelle Jugendtheater in Fahrtrichtung Obikolna-Straße (Wohnkomplex Druschba 2)
Tw 4239 (Reihe GT6, gebaut 1959 bei Duewag, 1995 aus Bonn übernommen) in der Haltestelle Jugendtheater als Linie 22, unterwegs zur Endstation Busbahnhof Ost:
Tw 4215 (Reihe T4, gebaut 1960 bei Duewag, 1995 aus Bonn übernommen) mit Beiwagen B4 in der Haltestelle Jugendtheater als Linie 22, unterwegs zur Endstation Busbahnhof Ost:
Fotos: dr. bahnsinn, aufgenommen am 23. und 30. 5. 2016
Demnächst geht's weiter mit Aufnahmen von den Schmalspurfahrzeugen!