Roco hat seit Kurzem Waggonfertigung in Vietnam

  • Modelleisenbahn aus Vietnam soll den Markt neu anschieben

    Verena Kainrath18. Jänner 2017, 14:00

    Die Hersteller Roco und Fleischmann kämpfen um die Rückkehr in die Gewinnzone

    Wien – Ein Kinderspiel ist es nicht. Bis zu 600 Euro legen Männer für Loks in Miniaturform aus. Auf ihren Dachböden und in Kellern rattern diese leise durch detailgetreu nachgebaute Landschaften. Tapsende Kinderhände werden darin nur unter strenger Aufsicht geduldet. Frauen verirren sich selten in die stetig wachsenden Gefilde.

    "Männer brauchen Hobbys, in denen sie sich verwirklichen können und die sie von ihrem Berufsalltag ablenken", sinniert Gerhard Joiser, Finanzchef der Salzburger Modelleisenbahn Holding GmbH. Seit zwei Jahren lenkt er die Marken Roco und Fleischmann nun in neue Bahnen. Das Fieber, das einen angesichts der Loks, in denen bis zu 500 Einzelteile stecken, packe, habe auch ihn erfasst. "Einer Frau zu erklären, wie Männer hier ticken, ist schwierig. Aber es sind einfach faszinierende Produkte."

    Gleich- oder Wechselstrom

    Die Welt der Modelleisenbahn ist zweigeteilt. In der einen fährt Europas Marktführer Märklin unter Wechselstrom. Die andere dominiert Roco dank Gleichstroms. Miteinander kompatibel sind die beiden nur sehr bedingt. Was sie verbindet, sind zwei Pleiten.

    Roco erwischte es 2005, Märklin fünf Jahre später. Seither versuchen beide mit neuen Eigentümern stabilen Boden unter die Räder zu bekommen.

    Roco und Fleischmann gehören seit einem Management-Buy-out zu 95 Prozent Roland Edenhofer. Die restlichen Anteile hält Johannes Steinparzer. 2015 standen bei einem Umsatz von weniger als 50 Millionen Euro knapp 15 Millionen Euro Verluste in den Büchern der Gruppe. Für 2018 verspricht Joiser wieder schwarze Zahlen. In weiteren zwei Jahren soll der Traditionsbetrieb aus Bergheim nachhaltig gute Erträge abliefern. Und bis dahin habe man auf jeden Fall auch den Rückhalt der Hausbank.

    Neues Werk in Vietnam

    Wie diese Kehrtwende in einer Branche, die in Europa innerhalb von zehn Jahren ein Drittel ihres Absatzes einbüßte, gelingen soll? Über weniger neue Eisenbahnmodelle, dafür höhere Losgrößen, erläutert Joiser, der auch die Beziehung zu Fachhändlern verbessert haben will. Dritter Angelpunkt ist ein neues Werk in Vietnam.

    80 Mitarbeiter fertigen dort seit kurzem Komponenten wie Wagons. Zum Vergleich: In Gloggnitz beschäftigt die Holding 100 Leute, in Salzburg 80, in Rumänien 220 und in der Slowakei 240. Dass die neuen Kapazitäten in Asien jene in Europa obsolet machen oder zumindest massiv schwächen, weist Joiser entschieden zurück.

    Spielzeug hin oder her: Modelleisenbahnen seien Hightech auf kleinstem Raum. Allein in Asien ließe sich das niemals bauen. "Wir nutzen die Produktionsvorteile in Vietnam, machen uns von diesem Land jedoch nicht abhängig", sagt Joiser und versichert, fixe Standbeine in Europa und Österreich zu behalten. Ziel sei es, den Umsatz bis 2020 um ein Viertel zu heben.

    Akt der Schöpfung

    Der Modellbau sei ein schöpferischer Akt, "die Erschaffung einer eigenen kleinen Welt, in der sich was bewegt, in der komplexe Technik klein und kontrollierbar wird", erzählt ein junger Sammler. Er gehört zu einer raren Spezies – der Großteil der Eisenbahnfreaks sind betagte, betuchte Herren, eine Klientel, die ausstirbt. Der Nachwuchs ist dünn gesät und bedient sich vor allem aus Secondhand-Beständen. Rasch abzuzählen ist auch die Zahl der Händler, die durch hohe Kapitalbindung einiges Risiko in Kauf nehmen.

    Die Zeiten, in denen die Modelleisenbahn dank Pufferküssern und Nietenzählern für die Spielzeugbranche einen der größten Märkte eröffnete, seien vorbei, sagt Willy Fischel, Geschäftsführer des deutschen Verbands der Spielwarenhändler. Im Zuge der völligen digitalen Steuerung habe sie jedoch das Zeug dazu, sich auf niedrigem Niveau zu stabilisieren. "Ich kann mir ihre Renaissance vorstellen." (Verena Kainrath, 18.1.2017)

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