[DE] Neubaustrecke Berlin - München für Großteil der Güterzüge ungeeignet

  • Güterzüge zu schwer für Prestigestrecke

    Seit Dezember 2017 gibt es eine schnelle Zugsverbindung zwischen Berlin und München, die nicht nur für Passagiere, sondern auch als intensiv genutzte Güterstrecke gedacht war. Doch schwere Güterzüge können die zehn Milliarden Euro teure Strecke laut einem Bericht gar nicht nutzen.

    Online seit heute, 23.23 Uhr

    Das Problem, so die „Süddeutsche Zeitung“: Als Kostenersparnis wurden an vier Signalstellen Steigungen von fast zwei Prozent eingeplant. Daher dürften auf der Strecke nur Güterzüge fahren, die nicht schwerer als 1.200 Tonnen sind, da schwerere Züge an den Signalen nicht mehr selbstständig anfahren könnten. Doch die meisten Güterzüge seien schwerer, so die Zeitung, schon aus wirtschaftlichen Gründen, und würden in der Regel meist 1.600 Tonnen wiegen.
    Dabei gibt es sichtlich Bedarf an der Strecke, wie zumindest die hohen Nutzungszahlen aus dem Personenverkehr zeigen. 2018 wurden laut Angaben der deutschen Regierung 4,9 Mrd. Fahrgäste auf der Strecke gezählt, fast doppelt so viele wie auf der alten Route. Dazu trägt wohl auch die deutliche verkürzte Reisezeit mit einem ICE Sprinter von sechs auf vier Stunden bei. Regulär braucht der ICE auch nur 4,5 Stunden.
    Der große Erfolg im Personenverkehr behindert den Güterverkehr allerdings zusätzlich, schrieb die „Süddeutsche“ weiter. Denn aus Sicherheitsgründen dürfen die bis zu 300 Kilometer schnellen ICEs der Deutschen Bahn nicht in einem Tunnel an einem Güterzug vorbeifahren. Auf der Strecke gebe es allerdings nur wenige Überholmöglichkeiten, daher könnten Güterzüge die Strecke nur in der Nacht befahren.
    Milliardenschweres Prestigeprojekt
    Das Projekt galt einst als Vorzeigeprojekt mit einem Investitionsvolumen von zehn Milliarden Euro, doch angesichts der fehlenden Auslastung im Güterverkehr dürften sich die hohen Investitionen nicht mehr rechnen, schreibt die Zeitung. Seit der Eröffnung war kein einziger Güterzug auf der Strecke unterwegs, obwohl eigentlich 70 je Richtung geplant waren, und zwar täglich.
    In der Beantwortung einer Anfrage der deutschen Grünen schrieb das deutsche Verkehrsministerium, dass es 2018 genau zwei Anmeldungen für Güterzüge auf der Kernstrecke gegeben hat, die allerdings vom Eisenbahnunternehmen wieder storniert wurden. Für heuer gibt es ebenfalls nur zwei Anmeldungen, allerdings nur für eine Lok, ganze ohne Waggons.
    Wirtschaftlichkeit infrage gestellt
    Es sei fraglich, ob die Strecke ohne die hohen Nutzungsprognosen für den Güterverkehr überhaupt gebaut worden wäre, zitierte die Zeitung Vertreter der deutschen Grünen. Zumindest hätte der deutsche Staat womöglich nicht so viel Geld dafür in die Hand genommen. Dass die angepeilten Nutzungszahlen überhaupt noch erreicht werden können, bezweifeln die deutschen Grünen zudem.
    Die deutsche Regierung hat zwar Nachbesserungen angekündigt, so soll durch Änderungen bei den Signalen eine Grenzlast von 1.500 Tonnen bei Zügen möglich sein. Alle Probleme wie die fehlenden Überholmöglichkeiten werden aber wohl nicht beseitigt werden können.
    Kritik an Verspätungen und Servicemängeln
    Die Deutsche Bahn steht in jüngster Zeit wegen Verspätungen und Servicemängeln zunehmend in der Kritik. Der deutsche Rechnungshof wirft der Bahn und dem Deutschen Staat wegen des Zustands des Schienenverkehrs und des mittlerweile milliardenschweren Schuldenbergs Versagen vor: Die Ziele der Bahnreform vor 25 Jahren seien verfehlt worden, die Schiene habe in den vergangenen Jahren kaum nennenswert Marktanteile von der Straße gewonnen, heißt es.
    Nur drei von vier Fernzügen seien in letzter Zeit pünktlich gewesen, so der Rechnungshof in seiner Kritik Mitte Jänner weiter. Bahnchef Richard Lutz versprach für die nächsten Monate erste Verbesserungen. Neue Züge sowie Akutprogramme gegen Störungen sollen die Bahn Schritt für Schritt pünktlicher machen, wie Lutz bei einer Branchentagung in Berlin sagte. Im Sommer stehen bei einem „Schienengipfel“ Themen wie Kapazität, weniger Lärm, modernere Technik und ein Taktfahrplan auf dem Programm.
    red, ORF.at/Agenturen

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • Zitat

    2018 wurden laut Angaben der deutschen Regierung 4,9 Mrd. Fahrgäste auf der Strecke gezählt, fast doppelt so viele wie auf der alten Route.


    Wenn auf der neuen Strecke lt. Angaben der deutschen Regierung im Jahr 2018 4,9 Mrd. Fahrgäste transportiert worden sind, dann frage ich mich, welche supertollen Züge über ein derart großes Fassungsvermögen verfügen oder fahren die Züge dort im 10 Sekunden-Takt? In Anbetracht solcher Fahrgastzahlen dürfte die DB AG ja in Bälde den Weg aus der Krise geschafft haben und nur so im Geld schwimmen!

    Ansonsten: Was ist denn das wieder für ein Topfen! In Österreich fahren Züge mit 1500t über die 26 Promille-Rampen - noch dazu mit vielen engen Bögen - über den Brenner & Co und das bei Regen, Eis und Schnee, und das (damals schon) mit drei Uralt-Loks (1020, 1110 etc)! Wenn die Teutonen keine (nicht einmal) 20 Promille auf fast bolzengeraden Strecken schaffen, müssen sie halt eine Lok mehr vorspannen oder nachschieben - oder die Signale versetzen bzw. die Züge zurückhalten, bis die Signale freizeigen! Das wird doch keine Kunst sein! Dieses Land samt seiner traurigen Bahn versinkt wirklich immer mehr im Chaos der Unfähigkeit.

  • Wobei die Uraltloks doch etwas mehr Reibungsmasse hatten. Es geht bei den 1200t wohl um Einfachtraktion.

    Wenn es nur einzelne Singale sind, dann sollte es auch keine technische Herausforderung sein, eine Durchfahrt zu garantieren.

  • Es wird da eher um die Trassenkosten gehen. Die Güterzüge waren ohnehin nur in der Nacht geplant, wenn keine ICEs fahren. Nur wenn die Kosten aus Tandem-Tfz und IBE zu hoch werden, dann regt man sich eben auf. ÖBB Infra ist heutzutage schon überfordert, wenn ein Güterzug den Brenner herunterfährt, weil die Trassenplanung das physikalisch notwendige Sägezahnfahren nicht berücksichtigt und die Zuglenker nur nach Zeit-Weg Linien disponieren dürfen. Eine 300km/h SFS/NBS verträgt sich mit Güterverkehr eben nicht gut und wenn, z.B. wie schon gesagt in der Nacht, dann stehen die hohen Trassenkosten und Instandhaltungsfenster entgegen, was z. B. zum Ende der 200km/h schnellen Güterzüge auf der SNCF SFS LN1 Richtung Lyon (und weiter) geführt hat. In Frankreich hat man nicht versucht, die Lastgrenzen auszunutzen, sondern die höheren Geschwindigkeiten und hat dafür Güterwagen mit den entsprechenden Bremsen hochgerüstet. Trotzdem nix.

  • Faszinierend, die selbe Argumentation hab ich schon im EBFÖ gelesen - größtenteils wortgleich.

    Aber davon mal abgesehen zeigt es, wo in Deuschland die Prioritäten liegen . Nämlich in der Geschwindigkeit, das sieht man auch an der KRM, gerade an einer Stelle, wo eine Gütertrasse eigentlich sehr sinnvoll gewesen wäre... aber das passierte eben nicht.

    Und hier umso mehr hat man es hingekriegt, das Thema Geschwindigkeit sehr schön zu erfüllen, aber das Thema Güterverkehr mal wieder zu vergessen.

    Mich wundert das nicht, der Güterverkehr auf der Schiene hatte und hat nicht wirklich so eine hohe Priorität in Deutschland. Man hat den halt dazu gerechnet, damit man auf einen positiven Kosten-Nutzen-Faktor hinkommt.

    Doch gerade auf der Relation hätte eine neue Trasse für den Güterverkehr durchaus Sinn gehabt.

    Aber wundert mich das? In Bayern zweifeln einige ja auch die Notwendigkeit einer Zulaufstrecke zum Brenner-Basistunnel an...

    Im Norden ist halt nichts neues. Aber darum muss man sich in Österreich keine Sorgen machen. Dort ist man auf die Idee gekommen, nicht billig zu bauen, sondern so zu trassieren, dass sich auch etwa Personen- und Güterzüge begegnen können. In Deutschland ja bei Neubaustrecken oft nicht möglich...

    Mit freundlichen Grüßen

    *Möwengeräusche*

  • Eine Hochgeschwindigkeitsstrecke verträgt sich nicht wirklich mit einer Güterverkehrsstrecke. Weder von der Trassierung noch von den Trassen. Die österreichischen Hochleistungsstrecken sind da schon ein ziemlicher Kompromiss.

  • Ein Kompromiss, der gelungen ist, würde ich sagen. Oft braucht man keine 300 km/h, um erfolgreich zu sein.

    Die Fahrpläne bei den deutschen Strecken sind teils so entspannt, da kann man auch mit 230 statt 300 locker die Fahrtzeiten halten.

    Mit freundlichen Grüßen

    *Möwengeräusche*

  • Güterzüge zwischen den 300 km/h-Zügen wären ja auch im Betrieb nicht unbedingt einfach. Aber der Sinn der neuen Strecke ist ja nicht nur Geschwindigkeit, sondern Kapazität. Den Güterzügen steht heute die Altbaustrecke zur Verfügung - dort wurden Trassen für den Güterverkehr geschaffen, indem die ICE auf der NBS fahren. Ist ja in Österreich nicht anders, auf der 200 km/h-Strecke fahren überwiegend Fernverkehrszüge, und der Güterverkehr hat auf der Altbaustrecke Platz. Die 70 zusätzlichen Güterzüge können ja (wahrscheinlich) erreicht werden. Die fahren zwar auf der ABS, aber für die Güterzüge ist es ja aufgrund der Vmax eh egal.

  • Der Unterschied ist, dass man eine wesentlich höhere Flexibilität erreicht. Bei freien Trassen kann man auch einen Güterzug über die NBS/ABS schicken und muss dafür nicht in die Gegenrichtung dafür sorgen, dass es zu keinen Zugbegegnungen kommt.

    Mit freundlichen Grüßen

    *Möwengeräusche*

  • genau, so wie das eben auf der Weststrecke ausserhalb der Stosszeiten gemacht wird. Und ob man die 190km mit 250 oder 300 fährt, macht 8 Minuten Unterschied, lässt aber umgekehrt Güterzüge zwischen den schnellen Zügen zu. Es jagt dort ja auch nicht ein ICE den anderen.

    Und soviel mehr an Kapazitäten entstehen nicht, nur weil ein paar ICEs über die NBS statt über die Altbaustrecke fahren.

    Im Endeffekt ist das die französische Krankheit : Teure Neubaustrecken für oft nur wenige Züge, die die Rentabilität des Kernnetzes sinken lassen.