NZZ: Rohan Vos’ Züge verkehren kreuz und quer durch Afrika – auf Gleisen aus der Kolonialzeit

  • Rohan Vos’ Züge verkehren kreuz und quer durch Afrika – auf Gleisen aus der Kolonialzeit

    Weder schwer passierbare Grenzen noch überwucherte Trassees, noch fehlende Infrastruktur bremsen den leidenschaftlichen Bahnunternehmer bei der Erschliessung neuer Routen

    gefunden in der Neuen Züricher Zeitung

    Claudia Bröll, Kapstadt 24.02.2020, 05.30 Uhr

    Rohan Vos in einem Abteil seiner Rovos Rail.
    NZZ

    Die Rovos-Rail-Departure-Lounge am Kapstädter Hauptbahnhof ist ein gediegener Ort: dicke Ledersessel, Kronleuchter, in einer Ecke spielt ein Streicher-Duo, während sich die Passagiere an Sekt und Gurken-Sandwiches gütlich tun. Rohan Vos ist Gründer und Chef des gleichnamigen Eisenbahnunternehmens. Er lässt es sich auch an diesem Morgen nicht nehmen, die Reisegesellschaft persönlich zu verabschieden. In genau 49 Stunden werde der Zug Pretoria erreichen, sagt der 73-jährige Südafrikaner und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: «Wenn nichts dazwischenkommt.» Eine halbe Stunde später rollt der blankpolierte Zug mit der Aufschrift «Pride of Africa» aus dem Bahnhof.

    Die meisten Passagiere ahnten gar nicht, wie viel im Hintergrund erledigt werden müsse und wie viel schiefgehen könne, stöhnt Vos und nimmt in einem der Ledersessel Platz. Aber es sei wie bei einer Theatervorstellung. «Wenn der Vorhang aufgeht, muss die Show beginnen.» Erfahrung darin hat er. Seit 30 Jahren dreht sich sein Leben um fast nichts anders. Mittlerweile arbeiten auch drei der vier erwachsenen Kinder in dem Familienbetrieb mit.

    Vos – ein Mann, den man sich auch im britischen Oberhaus vorstellen könnte –wirbt damit, «die luxuriösesten Züge der Welt» zu betreiben. Die Abteile sind mit Mahagoniholz getäfert, in den 16 Quadratmeter grossen Royal Suites stehen viktorianische Badewannen, und zum Dinner besteht für die Herren Krawattenpflicht. Unwillkürlich denkt man an den Orient-Express. Nicht zufällig nutzte Südafrikas bekanntester Krimi-Autor jüngst einen Rovos-Rail-Zug als Schauplatz für einen Mord.

    In jüngeren Jahren hatte Vos als Unternehmer in der Autozulieferbranche sein Geld verdient. Mit Zügen hatte er damals wenig im Sinn. Aber als ein Bergwerk im Minenstädtchen Witbank alte Dampfloks ausrangierte, konnte er nicht widerstehen. Er kaufte eine Lok und restaurierte «Brenda» in mühevoller Kleinarbeit. Eigentlich wollte er mit ihr Familienausflüge unternehmen, doch dieses Vergnügen erwies sich als teurer denn gedacht. Kurzerhand beantragte er eine Lizenz zur Personenbeförderung. Am 29. April 1989 war es so weit: «Brenda» startete mit vier zahlenden Passagieren an Bord. Heute beschäftigt Rovos Rail 440 Mitarbeiter, hat 18 Lokomotiven und 130 Waggons, die kreuz und quer durch Afrika fahren.

    Damals hätten ihn viele für verrückt gehalten, erinnert sich Vos. Keine Bank wollte ihm Geld geben. Fünf Jahre dauerte es, bis das Unternehmen die Gewinnschwelle erreichte. Heute haben Banken und Investoren durchaus Interesse. Eine südafrikanische Bank schaltete einmal eine Werbung mit seinem Foto und dem Spruch «Erst lachten die Banken über ihn, jetzt lacht er über die Banken». Es sei freilich ein Geschäft mit Höhen und Tiefen, schränkt er ein. Dreimal schrammte Rohan Vos am Konkurs vorbei: 1993, 2004 – wegen der Simbabwe-Krise – und 2011 nach der Weltfinanzkrise.

    Doch auch ohne Krisen seien für den Betrieb einer solchen Bahngesellschaft Flexibilität und «kreatives Denken» erforderlich, setzt er fort. «Ob Diebe Kabel stehlen, Bahnhöfen das Wasser ausgeht oder die Gleise in gleissender Hitze unbefahrbar werden, jede Fahrt ist eine neue Herausforderung.» Doch das scheint für ihn auch der Reiz zu sein.

    Anzeichen, es ruhiger angehen zu lassen, gibt es auf jeden Fall keine. Die Nachfrage ist trotz stattlichen Preisen gross. Vos lässt neue Züge bauen und hat unlängst den südafrikanischen Shongololo Express übernommen. Vor allem aber sucht er ständig nach neuen Routen, um weiter in den Kontinent vorzudringen. Je unerschlossener das Terrain, desto besser. Die Kunden erwarteten dies, sagt er, aber es sei auch eine persönliche Leidenschaft.

    Im Juli beispielsweise fuhr erstmals ein Rovos-Rail-Zug . Der Zug war der erste Personenzug in der Geschichte, der auf der ehemaligen Kupfertransport-Strecke unterwegs war. Vier Jahre hatten die Vorbereitungen gedauert. Unzählige Male flog Vos mit seinem Team in die Länder und erkundete Streckenabschnitte mit einer Draisine. «Teilweise wuchsen Büsche und Bäume zwischen den Gleisen», erinnert er sich, «da war seit Ewigkeiten kein Zug mehr durchgefahren.»

    Das grösste Problem aber war nicht die Vegetation oder die alten Gleise, sondern der Mangel an touristischer Infrastruktur und am Interesse für die Entwicklungschancen. Monatelang versuchte er zum Beispiel die Behörden in der DRC zu überzeugen, den Passagieren Visa bei der Einreise auszustellen statt mühsam vorab über Konsulate. Buchstäblich in letzter Minute kam dann die Zusage. Auch die mangelhafte Infrastruktur an den Bahnhöfen und die touristische Erschliessung des Hinterlandes machten die Organisation schwierig. Schliesslich fuhr ein Historiker als Reiseführer mit.

    Ob sich solche Abenteuer rentieren? Vos zuckt mit den Schultern. Über einige absurd hohe Rechnungen streitet er heute noch, unter anderem mit einer Feuerwehr in Kongo für Wasserlieferungen. Aber wirtschaftliches Kalkül spielte für ihn schon beim Kauf der ersten Lok keine Rolle. «Wir haben den Kontinent durchquert, von Ost nach West und wieder zurück», schwärmt er zum Abschied des Gesprächs. Ein Pionier, wie er im Buche steht. Eine weitere Route in Kongo hat er schon im Visier.